Mahina
Mahina war für einen Moment selbst ganz erstaunt über den lebenden Wald und ließ sich durch ihn von ihrer Beichte ablenken. Alle hatten gesagt, dass es nichts ausser der Stadt und dem versteinerten Wald mehr gab. Und jetzt tut sich ihr hier das prachtvollste Grün auf und Bäume streckten ihre saftigen Blätter nach ihr aus um sie in den Wald einzuladen. Neben Khilana schritt sie weiter auf den moosbedeckten Wald und drehte sich in Richtung des versteinerten Waldes um, ehe sie sich wieder dem Wald zu wandte. "Er muß neu sein..." meinte sie mehr zu sich selbst. Ihre Finger glitten über die Rinde eines Baumes und sie blickte hoch in seine Krone. Vögel zwitscherten und sie glaubte auch das Rascheln eines Busches zu hören. Vermutlich weil sich darin etwas versteckt hatte.
Lächelnd sah sie zu Khilana und obwohl es finster war, glaubte sie erkennen zu können, wie wieder Farbe in der blassen Haut der Nymphe erschien. Sie hatte die Augen geschlossen und war wohl ganz bei sich und dem Wald und so wollte Mahina sie nicht stören. Leise ging sie ein paar Schritte von der Nymphe weg zu einem Baum und lehnte sich an den warmen Stamm. Doch je länger sie der Nymphe zu sah, desto mehr kam ihr wieder das Geständnis in den Sinn. Als wäre ihr bei diesem Gedanken kalt geworden, griff Mahina nervös zu ihrem linken Oberarm und rieb ihn mit ihrer Hand warm. Doch als Khilana zu ihr sah, ließ sie ihre Hand wieder fallen. Sie versuchte ein Lächeln aufzusetzen, was ihr auch gelang, als sie das glückliche Gesicht ihrer Freundin sah.
"Vielleicht wissen die anderen noch gar nichts von dem Wald" mutmaßte Mahina und überlegte kurz, ob sie lieber zurück gehen sollten um den anderen bescheid zu geben. Doch sie haderte mit dem Gedanken. Sie wollte nicht zurück. Zumindest noch nicht. Sie mußte zuerst Khilana alles erzählen, ehe ihre beste Freundin die Blicke der anderen bemerken würden, die Mahina bestimmt empfangen würde, sobald sie unter deren Augen trat. Mahina seufzte lautlos und stieß sich vom Baum ab um zu Khilana zu gehen. Es fiel Mahina nicht leicht noch einmal den Mut aufzubringen, doch sie dachte an die Worte von Khilana, die sie vorhin noch gesprochen hatte. Ihr würde sie alles anvertrauen können.... Mahina fragte sich, ob sie das nachher auch noch sagen würde, aber es blieb ihr ja schließlich nichts anderes übrig. Jede weitere Minute die sie zögerte, würde es nur weiter rausschieben und eigentlich wollte sie es schon längst hinter sich haben.
Als Khilana sie fragend ansah, wußte Mahina dass die Nymphe ihre sorgenvollen Blicke bemerkt hatte, die sie daran erinnerten dass Mahina gerade eben noch etwas wichtiges sagen wollte. Mahina seufzte noch einmal, diesmal unüberhörbar und ließ sich schließlich auf einer großen geschwungenen Wurzel nieder, die wie eine Bank inmitten des Grüns vom Boden heraus stand und wenige Meter weiter rechts wieder im Boden versank. Mahina sah Khilana an und fragte sich, ob die Wurzel vorher schon da war, oder ob die Nymphe sie erschaffen hatte, jedenfalls nutzte sie die Sitzgelegenheit und legte ihre Hände in den Schoß. "Ich weiß nicht, wie ich beginnen soll... " sagte sie mit mutloser Stimme und senkte dabei ihren Kopf.
"Ich habe etwas getan, was für so manchen Stadtbewohner unverständlich ist. Und eine sehr lange Zeit, hab ich es selbst nicht verstanden warum ich so gehandelt habe." begann sie mysteriös und rieb ihre Finger an einander. Für einen Moment war sie still, doch dann brach sie das Schweigen. "Ich habe Zaron das Leben gerettet." sie lächelte sarkastisch über ihre Worte. Wenn man nicht wußte, wer Zaron war, würde man sicherlich nicht verstehen können, weshalb das etwas schlechtes sein sollte. Sie hatte das Leben eines Wesens gerettet, das wäre doch eigentlich mehr als nur eine gute Tat. Aber Khilana kannte Zaron und sie würde wissen, weshalb es Mahina schwer fiel darüber zu reden. "Ich glaube, ich sollte dir von Anfang an alles erzählen...."
"Es passierte einige Wochen vor dem Zusammenbruch der Welt" begann Mahina und hob nun wieder den Kopf um Khilanas Reaktion auf ihre Worte zu beobachten. "Ich war alleine im Wald unterwegs, ich wollte mir über ein paar Dinge ein paar Gedanken machen, als ich zum Pappaloona Moor kam. Zaron kämpfte mit etwas Unsichtbarem und wurde schwer verletzt. Ryan sein Freund war bei ihm und konnte ihm aber nicht helfen. Aus meinem Versteck heraus sah ich mit an, wie Zaron im Sterben lag. Ich habe gesehen, wie er seine letzten Atemzüge nahm und hätte ihn einfach sterben lassen können. Ich hätte ihn vielleicht sogar selbst den letzten Schlag verpassen können." Ob sie es dann mit Ryan hätte aufnehmen können wußte sie nicht. "Aber ich konnte nicht. Bevor ich wußte, was ich tat kam ich von meinem Versteck hervor und bin auf Zaron zugegangen. Ich gab ihm Kräuter, die ihn am Leben erhielten. Habe ihm Kraft geschenkt und dann..." Mahina verzog ihre Lippen leicht, es war kein gutes Gefühl zu bekennen, dass sie den Magier samt seinem Helfer inmitten die Stadt teleportiert hatte. ".... ich mußte irgendwo mit ihm hin, ich konnte ihn nicht zuerst am Leben erhalten und ihn dann erst recht irgendwo liegen lassen. Mir blieb nichts anderes übrig, als.... als... ihn in die Stadt zu bringen" murmelte sie beinahe. "Ich habe ihn versteckt. Habe ihn in ein unbewohntes Häuschen hinter dem La Illusion einquartiert und hatte ihn dort Tag um Tag gesund gepflegt."
Mahina sah der Nymphe ins Gesicht und fragte sich, ob sie sich daran erinnerte, wie geistig abwesend Mahina in dieser Zeit war, wenn sie sich getroffen hatten. "Ich habe niemanden davon etwas gesagt. Nicht einmal dir. Ich wußte nicht, wie ich es jemanden hätte erklären sollen." erklärte sie hilflos und zuckte mit den Schultern. "Zaron wurde gesund und je mehr er sich erholte, desto länger habe ich mich mit ihm unterhalten. Er hat mir erzählt, was ihn im Moor beinahe getötet hätte und was geschehen wäre, wenn er den Kampf nicht auf sich genommen hätte" Mahina stieß ein eigenartiges Lachen aus. "Nunja, so ganz erfolgreich war er dabei trotz allem nicht,... aber das erklär ich später" meinte sie. "Ich habe mit ihm auch über das Dorf geredet, das er zerstört hat, in welche missliche Lage er uns gebracht hatte und ich glaube sowas wie Verständnis für uns in seinen Augen gesehen zu haben." Nein, Reue war es nicht, auch wenn Mahina lieber dieses Wort gebraucht hätte, um Zaron ein bisschen milder da stehen zu lassen. Aber das würde nicht der Wahrheit entsprechen. Er hatte Verständnis, mehr aber auch nicht. "Er hat mir erzählt, was in ihm damals vorging. Er hatte gedacht seine Kinder verloren zu haben. Soraya und Vajelandros. Vajelandros hatte Soraya angegriffen, sie beinahe zu Tode gebissen und Vajelandros wurde daraufhin von Tristan getötet."
Mahina war sich nicht sicher ob Khilana genau wußte, wer Vajelandros überhaupt war. War sie zu diesem Zeitpunkt schon da gewesen? "Zaron war so wütend, er wollte Rache für den Tod seines Sohnes und verspürte unbändigen Schmerz über den Verlust seiner Tochter..." erklärte sie. "Ich heiße es nicht gut, was er uns angetan hat, aber ich habe gelernt ihm zu verzeihen und schließlich haben wir ja durch den Verlust unseres Dorfes unsere neue Stadt gefunden." meinte sie, auch wenn das ein schwaches Argument war. Mahina war einen Moment still, dann kam sie wieder auf den Kampf zu sprechen, den Zaron mit dem unsichtbaren Wesen geführt hatte. "Zaron hat eine ganz besondere Blume im Moor gefunden, als er dort nach Kräuter für Azucena gesucht hatte - sie war krank - diese Blume war aber keine Blume, sondern eine Bewahrerin. Die Bewahrerin hieß Samatōla und sie hatte die Aufgabe einen schrecklichen Dämon, vielleicht sogar den schrecklichsten Dämon aller Zeiten gefangen zu halten. Aber dieser Dämon hatte es geschafft, seinem Gefängnis zu entkommen und Samatōla die Kraft zu rauben" sagte Mahina und holte kurz Luft.
"Zaron erkannte Samatōla und das, was sie gefangen hielt und versuchte die Katastrophe abzuhalten, denn wäre der Dämon entwichen, so hätte es unser aller Tod bedeutet. Zaron hatte das Gefängnis eingefroren und der Dämon hatte sich dagegen gewehrt. Es hatte alle Kraft von Zaron gekostet und wie sich am Ende herausgestellt hatte, hatte er ihn nur temporär besiegt. Als ich Zaron wegteleportierte hatte, hatte Zaron noch die Blume abgerissen, aber der Dämon muß doch irgendwie freigekommen sein und das wurde uns einige Tage später klar." erklärte sie "An dem Tag, als die Erde zu beben begann und die Welt zusammenbrach. Ich habe Zaron zu Azucena gebracht um sie in die Stadt zu holen,...." Mahina wurde leiser als diese Erinnerungen sie einholten. "Aber für Azucena kam jede Hilfe zu spät. Sie gebar noch ihre und Zarons Tochter Sofie, dann starb sie. Zaron hatte noch Corax geholt und wir hatten versucht zurück in die Stadt zu kommen.... aber alles was wir geschafft haben war Corax und seine frisch geborene Schwester zu Ryan in die Stadt zu schicken. Zaron und ich sind dann versteinert."
Mahina ließ ihre Schultern hängen und auch ihren Kopf. Vereinzelte Tränen liefen über ihre Wangen und unbeholfen wischte sie sie weg. Fragen drängten sich in ihr auf, die sie schon seit sie aus der Versteinerung erwachte, versuchte zu verdrängen. Was wäre mit der Welt geschehen, hätte sie die Adormidera von Anfang an eingeweiht? Was wenn sie den anderen von diesem Dämon erzählt hätte? Vielleicht wäre alles anders gekommen, vielleicht hätten sie gemeinsam gegen den Dämon ankämpfen können. Vielleicht war es ihre Schuld, dass allen die Welt genommen wurde, dass soviele gestorben waren. Wenn sie nur etwas gesagt hätte! Wenn sie nur.... Mahina stand auf, unfähig ruhig sitzen zu bleiben mit dem Gefühl die Schuld für alles zu tragen.
"Es ist meine Schuld, dass die Welt zusammengebrochen ist!" sagte sie dann, als sie diese Erkenntnis - wahr oder falsch - schließlich traf. "Ich trage die Verantwortung dafür, dass ich zu niemanden etwas gesagt habe! Ich habe die Geschichte von Samatōla und dem Dämon verschwiegen! Vielleicht hätten wir gemeinsam den Dämon suchen und zerstören können, bevor er die Welt zerstörte!" Aufgeregt ging sie hin und her und verstrickte sich immer mehr in ihre Selbstvorwürfe, bis sie schließlich ihre Arme um sich selbst warf und sich in tiefem Schluchzen hin und her wiegte. "Ich habe diesen schrecklichen Fehler begangen!"
(hm, vielleicht hab ich jetzt ein bissl zu dick aufgetragen
Aber vielleicht kann Khilana sie irgendwie ein bisschen beruhigen
)