Inaya
Die Hüterin blickte in den Himmel. Die Sonne, auf die die Menschen hier so lange gewartet hatten, verschwand gemächlich hinter dem Horizont und färbte den Himmel von hellem Blau in ein wunderschönes violettgefärbtes Orange. Als ihr Blick zum Okandada weiter wanderte, konnte sie noch sehen wie Dyion mit Nyota in den Armen davon flog, wohl der Sonne nach, wenn man die Flugrichtung richtig deutete. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Dass sie den Wesen hier so viel Freude bereiten konnte, gab ihr ein sehr gutes Gefühl. Doch auch um Samoko mußte sie sich kümmern. Seit dem Kampf hatte sie von ihm nichts mehr gehört oder gesehen. Ob der Dämon es ihr sehr übel nahm, dass sie ihn unterbrochen hatte?
Aber schließlich war sie ja nicht umsonst hier. Man hatte sie hier her geschickt, weil die Welt erneut in Gefahr war und hätte sie Samoko sein Vorhaben, sich die Macht des Baums der Hüterinnen anzueignen, in die Tat umsetzen lassen, so hätte er die Grundlage dieser Welt vernichtet. Die Macht des Baumes war sicherlich sehr reizvoll. Und sie verstand, dass Wesen von dieser Macht angezogen wurden. Doch starb der Baum, so würde auch die Welt sterben und das würde sie verhindern. Das hier ist nun ihre Welt, gewachsen aus ihrer Fantasie und der Fantasie dieser Bewohner. Ihr obliegt es nun, wer einen Platz in dieser Welt verdient hatte. Und wenn sie sich so umsah, dann war ihre Auswahl bisher sehr gut.
Inaya lehnte sich in den Schatten eines Baumes und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie beobachtete die drei Ägypterinnen und die beiden Männer. Amüsiert beobachtete sie Liams überraschten Gesichtsausdruck, als er verletzt wurde, dann aber widmete sie sich interessiert den drei Mädchen, die näher kamen und auf die Männer trafen. Bisher hatten sich alle hier ohne Sprachprobleme verstanden, doch die drei Mädchen kamen aus einer ganz anderen Zeit, einer anderen Welt. Sie hatten ihre eigene Sprache mitgebracht. Inaya lächelte und blickte von Neiva zu Neith, die zu sprechen begann, doch obwohl es sie nur zu sehr interessierte, wie es weiter ging, spürte sie ein altbekanntes Gefühl. Jemand brauchte ihre Hilfe.
Zuerst hörte sie nur ein Fiepen, dann aber ein zartes Klingen und Klirren und schließlich gab Inaya dem Gefühl nach und machte sich auf die Suche nach der Quelle dieser Geräusche. Als Inaya die Augen wieder öffnete, stand sie in der Mitte eines Raumes. Licht durchflutete das Zimmer und es war angenehm warm. Wenn Inaya durch das weiße Sprossenfenster sah, sah sie einen wunderschönen goldenen Herbsttag, der zu einem Spaziergang einlud.
Inaya ließ zuerst ihren Blick durch das Zimmer wandern. Irgendwie hatte sie jetzt Chaos und Gefahr erwartet, doch es war alles still. Sie konnte sogar Kinderlachen von der Straße herein hören und doch war hier etwas nicht richtig. Irgendetwas lief hier falsch. Die Hüterin ließ langsam ihren Blick über die Möbel wandern. Bücherregale verstellten die gesamten Wände. Bücher waren bis unter die Decke gestapelt und doch sah es hier sehr gemütlich und aufgeräumt aus. Ein kurzer Blick zum Bett ließ sie erkennen, dass nicht die Person, die sie erwartet hatte, hier drin schlief, sondern jemand anders. Dabei fiel ihr ein schwarzes ledernes Buch auf und direkt daneben stand eine kleine Schatulle aus dunklem glasierten Holz. Tatsächlich sah dieses Zimmer nicht so aus, als würde es zu der Person passen, wegen der sie hier war und doch fühlte sie eine tiefe Verbundenheit zwischen dem Besitzer und ihrem neuen Schützling.
Inaya ging auf das ledergebundene Buch zu und nahm es in die Hand. Es war schwer und dick und als sie es aufschlug, lächelten ihr Personen entgegen, die einst sehr glücklich waren. Ein kleines Mädchen turnte auf den Körper eines alten Mannes herum, während eine junge Frau lachend daneben stand. Ein anderes Foto zeigte das Portrait einer schönen Frau, das Bild mußte schon sehr alt sein, denn es begann bereits zu verfärben. „Jacob Pears“ flüsterte sie den Namen, als sie ein weiteres Foto entdeckte. Ebenso ein Portrait das einen jungen stattlichen Mann zeigte. Es war der selbe Mann, wie auf dem ersten Foto nur Jahre älter. „Nun gut, mal sehen wer du bist Jake…“ flüsterte Inaya in die Stille hinein und legte das Fotoalbum zurück zu der Schatulle.
Eigentlich war sie wegen Giadessa hier her gekommen, doch die alten Fotos die sie gesehen hatte, weckten ihr Interesse an den alten Mann. Inaya besuchte jedes Zimmer dieser Wohnung und lernte auf diesem Weg mehr über Jake Pears kennen, doch dann fand sie sich in Giadessas Zimmer wieder und diesmal sah es genau nach dem Wohnbereich auf, wo Giadessa sich wohl heimisch fühlte. Zeichnungen und Schriften lagen über einem Schreibtisch verteilt, Aus Holz gebastelte Puppen saßen an der Wand gelehnt und verschiedene Blumen gaben dem Zimmer ein freundliches Aussehen. Ob der alte Mensch wußte, dass diese Blumen hier nicht normale Erden-Blumen waren, sondern von einer anderen Welt stammten? Inaya ging auf einen kleinen Blumenstock zu und und roch an der blauschimmernden Blüte, die in der Sonne leicht glitzerte. Es war eine Feenblüte. Blumen, die nur in der Nähe einer Fee wuchsen.
Inaya wandte sich um und stellte den Blumentopf zur Seite, dann ging sie auf das Nachtkästchen der Fee zu und hob ein kleines hellbraunes zugeschnürtes Säckchen hoch. Als Inaya die Schnüre löste, stieg ihr ein angenehmer Duft in die Nase und vorsichtig ließ sie dessen Inhalt in ihre Hand rieseln. Es war Erde, aber keine gewöhnliche Erde. Es war die Erde des Heimatplaneten der Fee. Es sah aus wie golden glitzender Sand. Und während Inaya die Erde zurück in das Säckchen füllte, erinnerte sie sich zurück an die Welt, die zerstört worden war und mit ihr die dort herrschende Sahana Manusa. Gedankenverloren band sie das Säckchen wieder zu und legte es vorsichtig zurück auf das Nachtkästchen. Das war also der letzte verbliebene Rest der zerstörten Welt und Giadessa besaß dieses kleine Stück Erinnerung.
Neben dem Säckchen entdeckte Inaya aber auch noch eine Kette, mit einem großen Anhänger, in Form einer Feenblüte. Als sie den Anhänger berührte, spürte sie, welche Verbindung Giadessa mit der Kette hatte. Ihre Mutter und ihr Vater hatten ihr die Kette geschenkt, ehe sie sich aufmachte, neue Welten zu erkunden. Inaya drehte die Kette in ihren Fingern und beobachtete das Glitzern des Anhängers. Es sah genauso aus wie eine echte Feenblüte, nur dass der Anhänger aus bemaltem Ton bestand. Nachdem sie ihn genug betrachtet hatte, legte Inaya die Kette zurück und verließ schließlich das Zimmer. Diesmal aber folgte sie dem Klingeln und fand Giadessa schließlich über den Körper des alten Mannes flatternd.
„Giadessa, er hatte ein erfülltes Leben, mit viel Leid, aber auch mit viel Glück….“ flüsterte sie tröstende Worte, auch wenn sie wußte dass Giadessa sie hier nicht hören konnte. Inaya war auf einer völlig anderen Ebene als die beiden und einen Moment lang blieb sie direkt neben der auf und ab flatternden Fee stehen. Dann aber beugte sie sich zu Jake hinunter. Seine hellblauen Augen sahen Giadessa traurig in die Augen und obwohl sein Herz mit aller Kraft gegen den Stillstand ankämpfte, so wußte Inaya, dass es keinen Sinn hatte. Der Mann vor ihr würde in wenigen Minuten sterben, das Herz kämpfte umsonst.
Inaya richtete sich auf und seufzte leise. Das Bild, das sich ihr hier bot, stimmte sie unsagbar traurig. Sie sah die Verzweiflung der Fee, aber auch das Bedauern des Mannes in seinen Augen. Sie wußte genau, dass er jetzt nicht sterben wollte und Giadessa wollte nicht schon wieder jemanden verlieren, der ihr so viel bedeutete und obwohl Inaya es nicht vorhatte, entschied sie sich jetzt im letzten Moment doch dazu, auch den alten Mann mit nach Adormidera zu nehmen. Giadessa brauchte ihn und Jake war noch nicht soweit, zu seiner Esra zu gehen. Also legte Inaya ihre Hand auf den Brustkorb des Mannes und rund um ihn floss plötzlich goldenes Licht über seinen Körper. „Ich komme zu dir zurück, Giadessa… Keine Angst“ flüsterte Inaya, dann verschwand sie mit Jake und landete direkt auf dem Stadtplatz, an der Stelle wo sie sich vorhin noch im Verborgenen gehalten hatte. Jake lag vor ihr auf dem steinernen Boden, dann kniete sie sich zu ihm hinab und mit einer Handbewegung erschien plötzlich ein Kelch mit honigartigem Inhalt. Diesen Kelch setzte sie dem sterbenden Jake an die Lippen und ließ ihn von dem Nektar kosten.
Augenblicklich begann Jakes Herz wieder schneller und stärker zu schlagen. Seine Wangen wurden rosiger und seine Augen wieder lebhafter und als er leise zu Husten begann, zog Inaya den Kelch zurück und betrachtete Jake einen Moment lang, dann lächelte sie ihn gütig an und verschwand augenblicklich wieder. Den verwirrten Jake allein zurück lassend.
Als sie zu Giadessa zurückkehrte, sah sie die Fee kaum noch. Es war nur ein goldener Punkt der auf und ab flog, nervös herumflatterte und nach Jake rief. Auch das Klingeln, das ihre Flügel verursachte, zeigte, wie gestresst die Fee nach dem Verschwinden von Jake war. „Hey beruhige dich!“ rief die Hüterin lächelnd und versuchte nach Giadessa zu greifen. Doch immer entglitt ihr Giadessa aus der Hand und Inaya versuchte sich abermals zu konzentrieren, die Fee einzufangen. „Giadessa, warte…“ sagte sie und seufzte schließlich, als auch der vierte Versuch missglückte. Der Fünfte war schließlich erfolgreich und Giadessa befand sich in sicherem Griff der Hüterin. „Ganz ruhig Mädchen, es geschieht dir nichts.“ sagte sie und blickte Gia in ihre großen grünen Augen. Jetzt befanden sie sich auf der selben Ebene und der Fee war es möglich, die Hüterin zu sehen.
„Jake geht es gut, ich habe mich um ihn gekümmert. Keine Sorge, Giadessa.“ erklärte sie der Fee und lockerte langsam den Griff. „Ich bringe dich zu ihm, aber zuerst holen wir noch etwas“ Erklärte Inaya und durchschritt mit Giadessa die Wohnung, zuerst zu Jakes Schlafzimmer, um dort die Schatulle und das Fotoalbum zu holen, dann zu Giadessas Zimmer, um die Kette und das Säckchen zu holen. Keinen Augenblick später jedoch befanden sich die beiden direkt vor Jake, der sich mittlerweile aufgerafft hatte und atemlos gegen den Baum lehnte. Er zitterte am ganzen Körper und war umso erleichtert, als er Giadessa auf sich zufliegen sah.
„Hört mir zu, ihr Beiden. Ihr seid hier, in Adormidera. Unter Freunden. Ich möchte euch hier ein neues Leben ermöglich. Ein Leben in Glück und in Freundschaft. Solange es euch damit gut geht.“ erklärte Inaya, dann gab sie das Fotoalbum und die Schatulle an Jake. „Aber vergiss niemals die, die du einst liebtest. Du glaubtest heute, auf den Weg zu ihnen zu sein. Doch du warst noch nicht bereit. Der Ort, an dem du heute warst, war kalt und dunkel. Doch dorthin wo du möchtest, führt noch ein langer Weg. Aber ich verspreche dir. Esra und deine Tochter warten bereits auf dich. Sie werden immer auf dich warten und wenn du soweit bist, werden sie dich in Empfang nehmen.“ Erklärte sie, dann ließ Inaya fünf Runen in ihrer Hand entstehen und gab auch diese an Jake. „Ich hoffe, du findest dafür Verwendung. Lass dir erklären, für was sie sind und wenn du offenen Herzens bist, werden sie dir viel Freude bereiten.“
Schließlich wandte sie sich an Giadessa, die immer noch in ihrer Gestalt als Fee vor ihr auf und ab flatterte. „Und nun zu dir kleines flinkes Mädchen“ meinte sie zu ihr. „Du warst bereits auf sovielen Welten, hast so viel schon gesehen. Doch auch wenn du keine weiteren Welten mehr erkunden wirst, so wirst du hier dennoch deine Heimat finden. Dieser Ort hier, wird dir viel Neues bieten und ich hoffe dir wird hier in Adormidera nicht langweilig werden. Als Erinnerung an deine zerstörte Heimat, habe ich dir dein Säckchen mitgebracht. Halte es in Ehren, denn es ist der letzte Beweis, dass es diese Welt einst gab.“ Mit diesen Worten überreichte Inaya der Fee das Säckchen Erde und auch ihre Kette. Dann erschienen auch für Giadessa fünf dieser Runen und Inaya lächelte das Mädchen noch einmal aufmunternd an. „Ich bin mir sicher, ihr findet hier schnell jemanden, der euch beiden weitere Fragen erklärt“ Mit diesen Worten sah sie Giadessa und Jake noch einmal an. Bei Jake fragte sie sich, wie sehr er offen für diese magische Welt war, dann aber formte sich ihr Körper zu einer goldenen Kugel und verschwand im Nichts.
Die Hüterin blickte in den Himmel. Die Sonne, auf die die Menschen hier so lange gewartet hatten, verschwand gemächlich hinter dem Horizont und färbte den Himmel von hellem Blau in ein wunderschönes violettgefärbtes Orange. Als ihr Blick zum Okandada weiter wanderte, konnte sie noch sehen wie Dyion mit Nyota in den Armen davon flog, wohl der Sonne nach, wenn man die Flugrichtung richtig deutete. Ein Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Dass sie den Wesen hier so viel Freude bereiten konnte, gab ihr ein sehr gutes Gefühl. Doch auch um Samoko mußte sie sich kümmern. Seit dem Kampf hatte sie von ihm nichts mehr gehört oder gesehen. Ob der Dämon es ihr sehr übel nahm, dass sie ihn unterbrochen hatte?
Aber schließlich war sie ja nicht umsonst hier. Man hatte sie hier her geschickt, weil die Welt erneut in Gefahr war und hätte sie Samoko sein Vorhaben, sich die Macht des Baums der Hüterinnen anzueignen, in die Tat umsetzen lassen, so hätte er die Grundlage dieser Welt vernichtet. Die Macht des Baumes war sicherlich sehr reizvoll. Und sie verstand, dass Wesen von dieser Macht angezogen wurden. Doch starb der Baum, so würde auch die Welt sterben und das würde sie verhindern. Das hier ist nun ihre Welt, gewachsen aus ihrer Fantasie und der Fantasie dieser Bewohner. Ihr obliegt es nun, wer einen Platz in dieser Welt verdient hatte. Und wenn sie sich so umsah, dann war ihre Auswahl bisher sehr gut.
Inaya lehnte sich in den Schatten eines Baumes und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie beobachtete die drei Ägypterinnen und die beiden Männer. Amüsiert beobachtete sie Liams überraschten Gesichtsausdruck, als er verletzt wurde, dann aber widmete sie sich interessiert den drei Mädchen, die näher kamen und auf die Männer trafen. Bisher hatten sich alle hier ohne Sprachprobleme verstanden, doch die drei Mädchen kamen aus einer ganz anderen Zeit, einer anderen Welt. Sie hatten ihre eigene Sprache mitgebracht. Inaya lächelte und blickte von Neiva zu Neith, die zu sprechen begann, doch obwohl es sie nur zu sehr interessierte, wie es weiter ging, spürte sie ein altbekanntes Gefühl. Jemand brauchte ihre Hilfe.
Zuerst hörte sie nur ein Fiepen, dann aber ein zartes Klingen und Klirren und schließlich gab Inaya dem Gefühl nach und machte sich auf die Suche nach der Quelle dieser Geräusche. Als Inaya die Augen wieder öffnete, stand sie in der Mitte eines Raumes. Licht durchflutete das Zimmer und es war angenehm warm. Wenn Inaya durch das weiße Sprossenfenster sah, sah sie einen wunderschönen goldenen Herbsttag, der zu einem Spaziergang einlud.
Inaya ließ zuerst ihren Blick durch das Zimmer wandern. Irgendwie hatte sie jetzt Chaos und Gefahr erwartet, doch es war alles still. Sie konnte sogar Kinderlachen von der Straße herein hören und doch war hier etwas nicht richtig. Irgendetwas lief hier falsch. Die Hüterin ließ langsam ihren Blick über die Möbel wandern. Bücherregale verstellten die gesamten Wände. Bücher waren bis unter die Decke gestapelt und doch sah es hier sehr gemütlich und aufgeräumt aus. Ein kurzer Blick zum Bett ließ sie erkennen, dass nicht die Person, die sie erwartet hatte, hier drin schlief, sondern jemand anders. Dabei fiel ihr ein schwarzes ledernes Buch auf und direkt daneben stand eine kleine Schatulle aus dunklem glasierten Holz. Tatsächlich sah dieses Zimmer nicht so aus, als würde es zu der Person passen, wegen der sie hier war und doch fühlte sie eine tiefe Verbundenheit zwischen dem Besitzer und ihrem neuen Schützling.
Inaya ging auf das ledergebundene Buch zu und nahm es in die Hand. Es war schwer und dick und als sie es aufschlug, lächelten ihr Personen entgegen, die einst sehr glücklich waren. Ein kleines Mädchen turnte auf den Körper eines alten Mannes herum, während eine junge Frau lachend daneben stand. Ein anderes Foto zeigte das Portrait einer schönen Frau, das Bild mußte schon sehr alt sein, denn es begann bereits zu verfärben. „Jacob Pears“ flüsterte sie den Namen, als sie ein weiteres Foto entdeckte. Ebenso ein Portrait das einen jungen stattlichen Mann zeigte. Es war der selbe Mann, wie auf dem ersten Foto nur Jahre älter. „Nun gut, mal sehen wer du bist Jake…“ flüsterte Inaya in die Stille hinein und legte das Fotoalbum zurück zu der Schatulle.
Eigentlich war sie wegen Giadessa hier her gekommen, doch die alten Fotos die sie gesehen hatte, weckten ihr Interesse an den alten Mann. Inaya besuchte jedes Zimmer dieser Wohnung und lernte auf diesem Weg mehr über Jake Pears kennen, doch dann fand sie sich in Giadessas Zimmer wieder und diesmal sah es genau nach dem Wohnbereich auf, wo Giadessa sich wohl heimisch fühlte. Zeichnungen und Schriften lagen über einem Schreibtisch verteilt, Aus Holz gebastelte Puppen saßen an der Wand gelehnt und verschiedene Blumen gaben dem Zimmer ein freundliches Aussehen. Ob der alte Mensch wußte, dass diese Blumen hier nicht normale Erden-Blumen waren, sondern von einer anderen Welt stammten? Inaya ging auf einen kleinen Blumenstock zu und und roch an der blauschimmernden Blüte, die in der Sonne leicht glitzerte. Es war eine Feenblüte. Blumen, die nur in der Nähe einer Fee wuchsen.
Inaya wandte sich um und stellte den Blumentopf zur Seite, dann ging sie auf das Nachtkästchen der Fee zu und hob ein kleines hellbraunes zugeschnürtes Säckchen hoch. Als Inaya die Schnüre löste, stieg ihr ein angenehmer Duft in die Nase und vorsichtig ließ sie dessen Inhalt in ihre Hand rieseln. Es war Erde, aber keine gewöhnliche Erde. Es war die Erde des Heimatplaneten der Fee. Es sah aus wie golden glitzender Sand. Und während Inaya die Erde zurück in das Säckchen füllte, erinnerte sie sich zurück an die Welt, die zerstört worden war und mit ihr die dort herrschende Sahana Manusa. Gedankenverloren band sie das Säckchen wieder zu und legte es vorsichtig zurück auf das Nachtkästchen. Das war also der letzte verbliebene Rest der zerstörten Welt und Giadessa besaß dieses kleine Stück Erinnerung.
Neben dem Säckchen entdeckte Inaya aber auch noch eine Kette, mit einem großen Anhänger, in Form einer Feenblüte. Als sie den Anhänger berührte, spürte sie, welche Verbindung Giadessa mit der Kette hatte. Ihre Mutter und ihr Vater hatten ihr die Kette geschenkt, ehe sie sich aufmachte, neue Welten zu erkunden. Inaya drehte die Kette in ihren Fingern und beobachtete das Glitzern des Anhängers. Es sah genauso aus wie eine echte Feenblüte, nur dass der Anhänger aus bemaltem Ton bestand. Nachdem sie ihn genug betrachtet hatte, legte Inaya die Kette zurück und verließ schließlich das Zimmer. Diesmal aber folgte sie dem Klingeln und fand Giadessa schließlich über den Körper des alten Mannes flatternd.
„Giadessa, er hatte ein erfülltes Leben, mit viel Leid, aber auch mit viel Glück….“ flüsterte sie tröstende Worte, auch wenn sie wußte dass Giadessa sie hier nicht hören konnte. Inaya war auf einer völlig anderen Ebene als die beiden und einen Moment lang blieb sie direkt neben der auf und ab flatternden Fee stehen. Dann aber beugte sie sich zu Jake hinunter. Seine hellblauen Augen sahen Giadessa traurig in die Augen und obwohl sein Herz mit aller Kraft gegen den Stillstand ankämpfte, so wußte Inaya, dass es keinen Sinn hatte. Der Mann vor ihr würde in wenigen Minuten sterben, das Herz kämpfte umsonst.
Inaya richtete sich auf und seufzte leise. Das Bild, das sich ihr hier bot, stimmte sie unsagbar traurig. Sie sah die Verzweiflung der Fee, aber auch das Bedauern des Mannes in seinen Augen. Sie wußte genau, dass er jetzt nicht sterben wollte und Giadessa wollte nicht schon wieder jemanden verlieren, der ihr so viel bedeutete und obwohl Inaya es nicht vorhatte, entschied sie sich jetzt im letzten Moment doch dazu, auch den alten Mann mit nach Adormidera zu nehmen. Giadessa brauchte ihn und Jake war noch nicht soweit, zu seiner Esra zu gehen. Also legte Inaya ihre Hand auf den Brustkorb des Mannes und rund um ihn floss plötzlich goldenes Licht über seinen Körper. „Ich komme zu dir zurück, Giadessa… Keine Angst“ flüsterte Inaya, dann verschwand sie mit Jake und landete direkt auf dem Stadtplatz, an der Stelle wo sie sich vorhin noch im Verborgenen gehalten hatte. Jake lag vor ihr auf dem steinernen Boden, dann kniete sie sich zu ihm hinab und mit einer Handbewegung erschien plötzlich ein Kelch mit honigartigem Inhalt. Diesen Kelch setzte sie dem sterbenden Jake an die Lippen und ließ ihn von dem Nektar kosten.
Augenblicklich begann Jakes Herz wieder schneller und stärker zu schlagen. Seine Wangen wurden rosiger und seine Augen wieder lebhafter und als er leise zu Husten begann, zog Inaya den Kelch zurück und betrachtete Jake einen Moment lang, dann lächelte sie ihn gütig an und verschwand augenblicklich wieder. Den verwirrten Jake allein zurück lassend.
Als sie zu Giadessa zurückkehrte, sah sie die Fee kaum noch. Es war nur ein goldener Punkt der auf und ab flog, nervös herumflatterte und nach Jake rief. Auch das Klingeln, das ihre Flügel verursachte, zeigte, wie gestresst die Fee nach dem Verschwinden von Jake war. „Hey beruhige dich!“ rief die Hüterin lächelnd und versuchte nach Giadessa zu greifen. Doch immer entglitt ihr Giadessa aus der Hand und Inaya versuchte sich abermals zu konzentrieren, die Fee einzufangen. „Giadessa, warte…“ sagte sie und seufzte schließlich, als auch der vierte Versuch missglückte. Der Fünfte war schließlich erfolgreich und Giadessa befand sich in sicherem Griff der Hüterin. „Ganz ruhig Mädchen, es geschieht dir nichts.“ sagte sie und blickte Gia in ihre großen grünen Augen. Jetzt befanden sie sich auf der selben Ebene und der Fee war es möglich, die Hüterin zu sehen.
„Jake geht es gut, ich habe mich um ihn gekümmert. Keine Sorge, Giadessa.“ erklärte sie der Fee und lockerte langsam den Griff. „Ich bringe dich zu ihm, aber zuerst holen wir noch etwas“ Erklärte Inaya und durchschritt mit Giadessa die Wohnung, zuerst zu Jakes Schlafzimmer, um dort die Schatulle und das Fotoalbum zu holen, dann zu Giadessas Zimmer, um die Kette und das Säckchen zu holen. Keinen Augenblick später jedoch befanden sich die beiden direkt vor Jake, der sich mittlerweile aufgerafft hatte und atemlos gegen den Baum lehnte. Er zitterte am ganzen Körper und war umso erleichtert, als er Giadessa auf sich zufliegen sah.
„Hört mir zu, ihr Beiden. Ihr seid hier, in Adormidera. Unter Freunden. Ich möchte euch hier ein neues Leben ermöglich. Ein Leben in Glück und in Freundschaft. Solange es euch damit gut geht.“ erklärte Inaya, dann gab sie das Fotoalbum und die Schatulle an Jake. „Aber vergiss niemals die, die du einst liebtest. Du glaubtest heute, auf den Weg zu ihnen zu sein. Doch du warst noch nicht bereit. Der Ort, an dem du heute warst, war kalt und dunkel. Doch dorthin wo du möchtest, führt noch ein langer Weg. Aber ich verspreche dir. Esra und deine Tochter warten bereits auf dich. Sie werden immer auf dich warten und wenn du soweit bist, werden sie dich in Empfang nehmen.“ Erklärte sie, dann ließ Inaya fünf Runen in ihrer Hand entstehen und gab auch diese an Jake. „Ich hoffe, du findest dafür Verwendung. Lass dir erklären, für was sie sind und wenn du offenen Herzens bist, werden sie dir viel Freude bereiten.“
Schließlich wandte sie sich an Giadessa, die immer noch in ihrer Gestalt als Fee vor ihr auf und ab flatterte. „Und nun zu dir kleines flinkes Mädchen“ meinte sie zu ihr. „Du warst bereits auf sovielen Welten, hast so viel schon gesehen. Doch auch wenn du keine weiteren Welten mehr erkunden wirst, so wirst du hier dennoch deine Heimat finden. Dieser Ort hier, wird dir viel Neues bieten und ich hoffe dir wird hier in Adormidera nicht langweilig werden. Als Erinnerung an deine zerstörte Heimat, habe ich dir dein Säckchen mitgebracht. Halte es in Ehren, denn es ist der letzte Beweis, dass es diese Welt einst gab.“ Mit diesen Worten überreichte Inaya der Fee das Säckchen Erde und auch ihre Kette. Dann erschienen auch für Giadessa fünf dieser Runen und Inaya lächelte das Mädchen noch einmal aufmunternd an. „Ich bin mir sicher, ihr findet hier schnell jemanden, der euch beiden weitere Fragen erklärt“ Mit diesen Worten sah sie Giadessa und Jake noch einmal an. Bei Jake fragte sie sich, wie sehr er offen für diese magische Welt war, dann aber formte sich ihr Körper zu einer goldenen Kugel und verschwand im Nichts.