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Die Tafel, oder: Chat mit dem Jenseits

minhyushan

1.000er-Club
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29 September 2002
Beiträge
1.191
Ort
dresden
Hallihallo!
Hier poste ich meine zweite Geschichte. :zustimmen

~ Die Tafel ~

Der Wagen rutschte und drehte sich viermal um die eigene Achse, kippte auf die Seite und blieb dort liegen. In Panik stieß der Fahrer von innen die verbeulte Tür auf und streckte ein Bein aus.
„Hilfe!“, schrie er in die kalte Nachtluft hinaus, doch es hörte ihn niemand. Die schwach leuchtende Anzeige am Armaturenbrett verkündete, dass Mitter-nacht vor zwei Stunden gewesen war.
Der Mann versuchte, sein Gewicht so zu verlagern, dass der Wagen wieder richtig herum auf der Asphaltstraße landete, doch es war unmöglich. Die Frau auf dem Beifahrersitz kauerte bewusstlos am Fenster, auf der Stirn ein Platzwunde. Hinten lag ein fünfzehnjähriger Junge, ihr Sohn. Ihn hatte es mit dem Rücken auf die Sitzbank geworfen, seine Beine steckten noch unter dem Vordersitz. Auch er war ohnmächtig geworden.
Tränen stiegen dem Mann in die Augen. Das durfte nicht sein! Es musste alles gut werden. Er kletterte aus der Fahrertür und rannte zum Kofferraum, wo er sein Handy vermutete, das hoffentlich noch funktionierte.

Schweißgebadet fuhr Riss Broolynton aus dem Schlaf. Kerzengerade saß sie in ihrem Bett und atmete schwer. Schon wieder dieser Albtraum. Seit sieben Wochen träumte sie immer Dienstags das gleiche. Ihr bester Freund Dane verunglückte bei einem Autounfall.
Riss hatte einmal gelesen, dass Träume die ver-steckten Ängste und Wünsche eines Menschen wider-spiegelten. Hier traf es zu. Sie kannte Dane bereits seit der Unterstufe. Er war ein halbes Jahr älter als sie und ging nun auch wieder in ihre Klasse. Sie waren ein Herz und eine Seele, aber eben Freunde, kein Paar, wie es die Tratschweiber ihrer Schule gern zu behaupten pflegten.
Riss legte sich wieder hin und drehte den Kopf, um auf ihre Nachttischuhr spähen zu können. Die gleiche Uhrzeit wie in ihrem Traum. Sie schloss die Augen und irgendwann fand sie die Ruhe, um wieder einschlafen zu können.
 
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wenn du wüsstest, wie nah du an der Wirklichkeit dran bist...
mal was ganz anderes. Zumindest bis jetzt. Wie geht's weiter?
 
wie meinst du das?

naja, etwas unrealistisch wird es schon.

hier erst mal eine kurze fortsetzung:

„Sind alle da?“ Mrs. Judd rückte ihre rahmenlose Brille zurecht und schaute in die Runde. Fast alle nickten geistesabwesend wie jeden Morgen. Gregory meldete sich. „Dane fehlt.“
„So“, sagte Mrs. Judd nur und notierte seine Nummer.
Riss starrte auf die Tischplatte vor sich. Er ist krank, versuchte sie sich einzureden und ignorierte das unangenehme Gefühl in ihrer Magengegend. Ist ja nichts besonderes zu dieser Jahreszeit.
Es war August, um genau zu sein. Sommer.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Melanie ihre Banknachbarin, ein geschwätziges, aber liebenswertes Mädchen.
Riss griff nach ihrem Hefter. „Ich mach’ mir Sorgen um Dane.“
Melanie biss sich auf die Unterlippe. „Mehr als eine Erkältung wird es nicht sein.“
Riss nickte und schaffte es, sich auf Derek zu konzentrieren, der monoton die Lösungen der Haus-aufgaben vorlas.
„Alles richtig“, lobte die Lehrerin. „Gut gemacht.“ Ohne mit der Wimper zu zucken schrieb sie ihrem Lieblingsschüler eine Eins ein.

Der Unterricht an diesem Tag floss sehr zäh dahin. Als jedoch endlich das letzte Läuten ertönte schnappte sich Riss ihre schon fertig gepackte Schultasche und verließ fluchtartig den Raum.
Das war die Erlösung.

~~~

Nun, wie sich herausstellte war es alles als die Erlösung.
Das Telefon läutete am Nachmittag und Riss ging ran.
Die Stimme am anderen Ende der Leitung kannte sie nicht. Nie gehört.
„Miss McGill, es tut mir leid...“
Den Rest des Satzes hörte sie wie durch einen dichten Nebel. Dann brach sie schluchzend neben dem Esstisch zusammen.
Ihr Traum hatte sich bewahrheitet.
 
Hi!
Ich finde deine Geschichte voll gut!!
Naja, irgendwie finde ich war es für mich ein bisschen komisch zu lesen...was aber nichts mit deiner Geschichte zu tun hat, ich finde die super!!
Sag mal wie bist du auf die Idee mit dem Autounfall gekommen??
bye evy
 
@ h. phoebe
ich wollte einfach eine kurzgeschichte schreiben, und da kam mir die grundidee zu dieser story. beim ausbauen hatte ich den gedanken mit dem unfall.


Zweites Kapitel

Keine Erkältung. Dane würde nicht wieder zur Schule kommen. Weder Riss, noch jemand anderes würde ihn je wiedersehen.
Am nächsten Tag konnte Riss einfach nicht, oder nicht einfach, in die Schule gehen. Sie ging zu dem großen Feld, dem Lieblingsplatz von Dane und ihr, das neben einer großen Markthalle lag. Im Sommer hatten sie manchmal Wettrennen veranstaltet, und wer zu erst dort angekommen war bekam vom Verlierer ein Eis spendiert. Das hatte sogar mit vierzehn noch Spaß gemacht.
Riss legte auf die Stoppeln, die ihr in den Rücken pieksten. Zweimal ertappte sie sich dabei, wie sich umdrehte, weil sie glaubte, dass Dane neben ihr stand. Nachdem sie den Wolken eine Weile, eine lange Weile sogar, beim daherziehen zugesehen hatte setzte sie sich hin und bemerkte, wie sich eine einzelne Träne an ihrer Wange herunterschlich.
Sie stand auf und ging zu der Ecke des Feldes, wo Dane und sie oft auf den großen Steinen gesessen und sich unterhalten hatten. Riss setzte sich auf ihren und hielt das Gesicht in die Sonne.
Als sie auf der Suche nach einer bequemen Position mit der rechten Hand am Rand des Steines entlang tastete, fühlte Riss etwas seltsames. Überrascht öffnete sie die Augen und zog einen kleinen Gegenstand hervor.
Es war eine Art Mini-Tafel, eingefasst in einem hel-len Holzrahmen. Verdutzt drehte Riss sie hin und her. Schließlich steckte sie sie in ihre Gesäßtasche und trat den Heimweg an.

In ihrem Zimmer stellte Riss die Tafel neben einem Familienfoto auf ihren Schreibtisch. Sie hatte sie am Dane-Riss-Freundschaftsplatz gefunden, also verdiente sie einen Ehrenplatz. Dane. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass er... verunglückt war. Tödlich verunglückt. Riss’ Augen füllten sich mit Tränen und sie vergrub ihr Gesicht in den Armen.

Gedankenversunken kritzelte Riss ihren Lieblings-spruch mit weißem Stift auf die Tafel. Butterflies return someday. Sie raufte sich die Haare, stellte sie zurück und warf sich aufs Bett. Plötzlich ertönte ein leises Kratzen. Riss fuhr erschrocken hoch und sah sich im Zimmer um. Nichts.
Die Tafel, schoss es ihr durch den Kopf. Sie sprang auf und lief zum Schreibtisch hinüber. Nichts hatte sich verändert. Oder ... doch? Beim näheren Hinsehen erkannte Riss, dass sich der Spruch verändert hatte.
Butterflies return today.
 
danke danke vielen dank :D

Hier kommt der 4. und letzte teil meiner story, neue sind in arbeit ;)
minhyu

Riss nahm die Tafel mit und setzte sich auf ihr Bett. Sie überlegte fieberhaft und zeichnete schließlich ein Fragezeichen daneben.
Alles verschwand. Riss blinzelte.
‚Es tut mir leid’, erschien in krakeliger Handschrift auf der Tafel und Riss blinzelte noch mehr. Konnte es sein ... ?
Wieder entschied sie sich für ein Fragezeichen. Und wieder verschwand alles. Riss begann zu schwitzen.
‚Ich liebe dich.’
Riss’ Augen weiteten sich und sie antwortete mit ‚Wer bist du?’. Riss hoffte auf eine bestimmte Antwort.
‚Dane.’ Diese Antwort.
‚Wo bist du? Ich vermisse dich!’
‚Ich dich auch.’
Resigniert stützte Riss ihr Kinn in die Hände. Dane lebte – und auch nicht. Es war zum Verzweifeln.
‚Was tun wir hier, Dane?’ Eine kleine Hoffnung glomm in Riss auf. Wenn sie ihn nicht sehen konnte, so würde eine Unterhaltung ihn ein wenig lebendig machen.
‚Das was du immer nie wolltest. Chatten.’
Riss’ Augen füllten sich mit Tränen. Sie sah Dane vor sich, wie er sie anlächelte um ihr noch etwas Mut zu machen. Und genau der fehlte ihr jetzt.



Drittes Kapitel

Es klopfte an der Tür. Hastig versteckte Riss die Tafel unter ihrem Kopfkissen.
„Wer ist da?“
Das Klopfen endete. „Riss, bitte mach auf.“
„Dad“, sagte Riss leise und drehte den Schlüssel im Schlüsselloch herum.
„Ich weiß, dass es schwer ist, damit klar zu kommen, aber ich dachte...“
Riss drehte sich um. „Schon okay.“ Sie setzte sich auf ihr Bett. „Nein“, sie lachte trocken auf. „Es ist natürlich ganz und gar nicht okay.“
Ihr Vater setzte sich neben sie und Riss legte ihren Kopf in seinen Schoß. Er lächelte mitfühlend und griff nach dem Kissen, um es seiner Tochter unter das Gesicht zu legen.
Die Tafel, schoss es Riss durch den Kopf, als sie sah, wie ihr Vater den kleinen Gegenstand in seine Hände nahm.
„Was ist das?“, fragte er.
Riss versuchte, einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf-zusetzen, um ihre Erregung zu verbergen. „Ach die... die hab ich am Rand des Feldes gefunden, wo wir uns immer getroffen haben.“
Riss glaubte schon, das Thema hatte sich damit erledigt, als eine neue Nachricht von Dane erschien. Die Augenbrauen ihres Vaters zogen sich zusammen.
„Frag mich bitte nicht, was das zu bedeuten hat, ich weiß es selbst nicht, Dad. Ich weiß nur, dass Dane noch an mich denkt. Und wenn du mir jetzt mit einem klugen Spruch kommst...“
Wortlos legte ihr Vater die Tafel auf die Matratze zurück und stand auf. „Du weißt, was du tust. Gute Nacht.“
Riss setzte sich ganz hin und betrachtete die Nachricht. ‚Bei euch geht der Mond auf, Riss. Schlaf gut.’
Riss schluckte den dicken Kloß in ihrem Hals herunter, drückte die Tafel mit der Nachricht an ihre Brust und ging zum Fenster hinüber. Es stimmte.

Riss dachte selbst nach einer Woche nicht daran, in die Schule zu gehen. Daheim konnte sie sich mit Dane unterhalten, und das, was er ihr mitzuteilen hatte, war viel bedeutsamer als die lahmen Unterrichtsstunden.
Er sagte, dass er sie liebte – warum hatte er das nicht getan, als er noch gelebt hatte? Da hatten die Tratschtanten ja doch recht, blöd, das zugeben zu müssen.
Aber jedes Mal, wenn Riss wissen wollte, wo Dane war, wich er ihrer Frage aus. Es war ganz so, als wüsste er es selbst nicht.



Viertes Kapitel

Tag für Tag sank Riss weiter in ihre eigene Welt zurück.
Die Unterhaltungen mit Dane ließen sie den Verlust für eine Weile vergessen, aber hinterher fühlte sie sich ganz furcht-bar. Während des Schreibens schien es wie ein Rausch, der abrupt endete, wenn sie die Tafel zur Seite legte, die langsam wie eine Droge auf sie zu wirken begann.

Als sie eines Tages, exakt zwei Wochen nach dem Tod ihres besten Freundes, nach Hause zurückkehrte und sich wieder auf die Tafel stürzen wollte, war die Matratze unter ihrem Kissen leer. Riss suchte das ganze Bett ab, doch nirgends konnte sie ihren Schatz finden.
Riss lief durch den Korridor in die Küche, wo ihre Mutter am Kochen war.
„Mom?“
Sie schaute auf und beider Blicke kreuzten sich.
„Hast du meine Tafel gesehen? Sie ist verschwunden.“
Ihre Mutter blinzelte und legte die Hände auf Riss’ Schultern. „Was soll ich sagen... Ich habe sie gesehen.“
Riss’ Augen leuchteten. „Und?“
Ihre Mom führte sie ins Wohnzimmer, drückte sie sanft auf die Couch und ließ sich selbst im Sessel nieder. „Hör mir zu. Wir wissen, dass der Verlust schmerzlich ist. Aber es muss weitergehen, Riss. Die Tafel hilft dir nicht weiter, im Gegenteil. Sie lockt dich in eine Traumwelt und du vergisst, zu leben. Suche sie nicht, du wirst sie nicht finden.“



Ende
 
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