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[NCIS] Requiem II (FSK 16)

MrsMallard

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19 April 2009
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3
Titel: Requiem II
Autor: Mrs. Mallard
Pairing: keines
Rating: FSK 16
Kategorie: Episodenfortsetzung Folge 5x07 "Requiem / Alte Wunden" - Was wäre, wenn Tony zehn Minuten später am Hafen angekommen wäre?
Inhalt: Duckys schlimmster Alptraum wird Wirklichkeit.
Disclaimer: Die Rechte an der Serie und ihren Charakteren liegen bei CBS, Paramount und Belisarius Productions, alle sonstigen Charaktere sind meiner Phantasie entsprungen und beruhen nicht auf lebenden Personen. Die Geschichte ist aus Spaß an der Serie und am Schreiben entstanden, um andere Fans zu unterhalten und nicht, um damit Geld zu verdienen.
Kommentar: Ich freue mich über jedes Feedback, positiv und negativ.



Requiem II

„Ducky?!“ Der alte Mediziner blickt auf, als die zierliche rothaarige Frau langsam durch die Türen der Autopsie tritt. „Direktor?“ Der Tonfall ihrer Stimme hat den Pathologen bereits hellhörig werden lassen. Etwas ist passiert, etwas schlimmes. So schlimm, dass Jenny Shepard in den Gewölben des Hauptquartiers Zuflucht sucht. Hier unten kann sie die Maske der Direktorin einen Moment lang fallen lassen, als der alte Gerichtsmediziner sie ruhig zu einem Stuhl geleitet. Er fragt nicht, er greift nur in einen Schrank und gießt ihr unaufgefordert ein Glas Whisky ein. Ducky weiß, wann seine Gäste einen solchen Schluck nötig haben, und sein Vorrat scheint niemals leer zu werden.

„Was ist passiert?“ Er wagt es kaum, die Frage zu stellen. Jenny ist kreidebleich, und Ducky kennt nur ein Ereignis, das sie in einen derartigen Zustand versetzen kann. In den langen Jahren seiner Laufbahn hat er ein intuitives Radar entwickelt, und er weiß, dass er in Kürze einen Agenten auf seinem Tisch finden wird. Die Frage ist, wen es diesmal getroffen hat. Jenny hat noch immer kein Wort gesprochen, und Ducky begreift. Er setzt sich neben die Direktorin und gießt sich mit zitternder Hand ebenfalls einen Drink ein. Doch sein Verstand weigert sich, es zu glauben, ehe Jenny den schrecklichen Verdacht nicht bestätigt hat. „Jethro?“ fragt er mit brüchiger Stimme. Jenny nickt, noch immer unfähig, ein Wort zu sagen. „Wie?“ Duckys Stimme klingt fremd vor Entsetzen. „Er ist wahnsinnig geworden!!“ bricht es aus Jenny heraus. „Er wollte das Mädchen retten und ist mal wieder auf eigene Faust losgezogen. Mein Gott, er muss doch gewusst haben, dass das irgendwann schief geht!!“ Ihre Trauer macht einen Moment der Wut Platz, ehe sie zu schluchzen beginnt.

Behutsam nimmt Ducky die zierliche Frau in den Arm. Seine Hände zittern noch immer, als sie tröstend über ihren Rücken streichen. Ein dicker Kloß macht sich in seinem Hals breit, und er muss kräftig schlucken, ehe er weitersprechen kann. „Was ist passiert?“ Jenny schnieft weiterhin und hat Mühe, Worte zu finden. „Wir… wir wissen noch nicht genau, was passiert ist. Eine Freundin von Kelly hat ihn vorgestern aufgesucht.“ Ducky atmet tief durch, er weiß, was das bedeutet. Er weiß, dass sein Freund sich noch immer die Schuld am Tod seiner Tochter gibt. Und dass er alles tun würde, um diese Schuld zu tilgen. „Sie… sie wurde bedroht, und Jethro war davon besessen, ihr zu helfen.“ Jennys Worte bestätigen Duckys Verdacht. „Gestern morgen…“ berichtet Jenny mit bebender Stimme weiter, „gestern morgen ist sie entführt worden, und Jethro… er wusste, dass ich ihn nicht gehen lassen würde. Er hat sich aus dem Staub gemacht und sich mit den Entführern getroffen. Tony hat es irgendwie herausgefunden und ist ihm zum Hafen gefolgt, aber…“ Ihre Stimme bricht, und es dauert einen Moment, ehe sie weitersprechen kann. „Es war zu spät. Es war niemand mehr dort.“ Ducky hält seine Kollegin noch immer fest in den Armen, und ihre Worte sind kaum ein Flüstern in seinem Ohr. „Metro PD hat eben angerufen. Hafenarbeiter haben Jethro und Maddie auf dem Grund des Kanals gefunden, gleich neben dem Treffpunkt. Eingeschlossen in einem durchlöcherten Auto.“ Eine geisterhafte Stille breitet sich in der Autopsie aus. Einen Moment lang klammern sich Pathologe und Direktorin aneinander, wie Ertrinkende in einem See aus Trauer. „Ist er… sind sie auf dem Weg hierher?“ fragt Ducky schließlich. Auch Jenny kehrt in ihre gewohnte Rolle zurück und strafft die Schultern. „Sie müssten jeden Moment hier sein.“

*****​

Es ist spät, als der Lieferwagen mit den beiden Leichensäcken im NCIS- Hauptquartier eintrifft. Ducky hat seinen Assistenten längst in den Feierabend geschickt, er will allein sein in dieser schwarzen Stunde. Mechanisch quittiert er den Empfang der Leichen, weist die Männer an, die Säcke auf zwei benachbarte Tische zu legen. Als er wieder allein ist, löscht er das Licht in der Autopsie, so dass nur noch die beiden Lampen über den Tischen den Raum erhellen. Er zögert einen Moment, dann beginnt er mit Maddie. Langsam und ruhig öffnet er den schwarzen Kunststoffsack und hält einen Moment inne, um das bleiche Gesicht zu betrachten. Ihre Augen sind geschlossen, eine Strähne des blonden Haars hat sich quer über ihr Gesicht gelegt. Es ist noch feucht, und Ducky streicht es behutsam zurück. Er gibt sich einen weiteren Moment, um die beinahe kindlich wirkenden Züge der jungen Frau in sich aufzunehmen. Anschließend straffen sich seine Schultern, und die Routinen des langen Berufslebens gewinnen die Oberhand. Er entfernt den Kunststoffsack, während ihm die Feuchtigkeit aus ihrer Kleidung in die Nase steigt. Normalerweise fließen die Worte nur so aus seinem Mund, doch die junge Frau bleibt seltsam fremd. Ducky weiß nicht, was er sagen soll. Sie ist so jung und ihr Körper wird eine schreckliche Geschichte zu erzählen haben. Zeugnisse eines Verbrechens, dass es aufzuklären gilt. Und doch fällt es dem alten Pathologen schwer, Mitleid zu empfinden. Denn was auch immer das junge Mädchen dazu gebracht hat, bei Jethro Gibbs Hilfe zu suchen – sie ist der Grund für seinen Tod.

Ducky fühlt sich hilflos wie nie zuvor. Er weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Schließlich löscht er das Licht über ihrem Tisch und wendet sich dem zweiten Sack zu. Seine Hände zittern, als er auch nach diesem Reißverschluss greift und ihn langsam öffnet. Unzählige Male hat ihn diese Situation in seinen schlimmsten Alpträumen verfolgt. Nun ist sie Wirklichkeit. Die blauen Augen sind weit aufgerissen und starren leer an die Decke. Ducky muss sich zwingen, hinzusehen. „Oh, Jethro,“ seufzt er leise. „War es das wert?“ Er weiß, dass er von seinem Freund darauf keine Antwort bekommen wird, weder vom lebenden noch vom toten. Sanft legt er eine Hand über das Gesicht und verschließt mit Daumen und Zeigefinger die erstarrten Augen. Anschließend macht er sich an die Arbeit, auch diesen Leichensack zu entfernen. Die Kleidung des Agenten ist ebenso feucht wie die von Maddie, das Wasser tropft aus dem Sack heraus und bildet eine kleine Pfütze auf dem Boden. Ducky gönnt sich einen letzten Aufschub, während er die nassen Säcke im Nachbarraum aufhängt und die kleine Wasserlache aufwischt. Anschließend macht er sich an die traurige Aufgabe, seinen Freund ein letztes Mal zu entkleiden. Er zögert, seine Hände wollen ihm nicht gehorchen. Bis jetzt ist alles beinahe normal. Dass Jethro auf einem dieser Tische liegt und schläft, ist nichts ungewöhnliches. Auch unbekleidet hat er sich mehr als einmal hier eingefunden, wenn Verletzungen oder Krankheiten es erfordert haben. Doch nie hat Ducky ihm dabei helfen müssen, sich auszuziehen.

Schließlich gibt er sich erneut einen Ruck. Langsam, Stück für Stück, befreit er den schlaffen Körper aus den nassen Sachen. Die Leichenstarre hat sich längst gelöst. Sakko, Polohemd, T-Shirt, Schuhe, Hose, Socken und schließlich auch die Unterhose legt er sorgfältig auf den freien Tisch zum Trocknen. Abby wird sich darum kümmern, sobald sie dazu in der Lage ist. Ducky dreht sich erneut um und betrachtet den bleichen Körper, der wie so viele zuvor reglos und kalt auf dem Stahltisch liegt. Doch dieser Körper ist anders, er ist ihm vertraut. Sein Blick wandert über die blasse Haut, deren Narben im grellen Licht der Lampe beinahe silbern schimmern. Ducky kennt diese Narben, jede einzelne, auch wenn er längst nicht jede Geschichte kennt, die sich dahinter verbirgt. Viele dieser Narben entstammen seinen eigenen Behandlungen, bringen Erinnerungen hervor an Einsätze und lange vergangene Abenteuer. Als er erneut aufblickt, haben sich die blauen Augen wieder geöffnet. Sie blicken ihn an, scharf und aufmerksam wie immer. Nur ein Teil ihrer Lebendigkeit fehlt ihnen nun. „Nun ist es also soweit,“ hört Ducky die Stimme seines Freundes. „Es hätte nicht so enden sollen.“ „Nein,“ antwortet Ducky. „Das hätte es nicht. Ihr solltet beide nicht hier sein.“ Er möchte seinen Freund anschreien, ihn dafür verfluchen, dass es so weit gekommen ist. Doch er schweigt. „Es tut mir leid, Ducky,“ hört der Pathologe die vertraute Stimme. „Es tut mir leid, dass du das nun tun musst.“ Eine Träne läuft über Duckys Wange. „Warum, Jethro?“ fragt er heiser. „Warum musstest du so weit gehen?“ Doch auf diese Frage bekommt er keine Antwort, und als er seinen Freund erneut ansieht, sind seine Augen wieder starr und geschlossen. Und doch weiß Ducky, dass Jethro ihm dankbar ist, dass er diese Aufgabe auf sich nimmt. So schwer es ihm fällt, die vor ihm liegende Arbeit zu bewältigen, weiß er doch, dass er sie niemandem anderes überlassen würde. Er ist es seinem Freund schuldig.

Der Pathologe atmet noch einmal tief durch, ehe er nach seinen Unterlagen greift und beginnt, den Autopsiebericht auszufüllen. Seine Hände zittern noch immer, und Jimmy Palmer wird Schwierigkeiten bekommen, wenn er versucht, den Bericht abzutippen. Ducky beginnt mit den äußerlich sichtbaren Verletzungen, doch es ist wenig zu sehen. Im Bereich des Magens und der Oberschenkel findet er leichte Verfärbungen, Ansätze von Blutergüssen. Vermutlich saß Jethro am Steuer des Wagens und hat versucht, unter dem Lenkrad wegzukommen. Es bestätigt, was Ducky ohnehin längst ahnt. Sein Freund hat noch gelebt, als das Auto ins Wasser gestürzt ist. Ein Zittern überläuft ihn, er will sich nicht vorstellen, was dort unten vor sich gegangen ist. Doch sein Verstand ist darauf trainiert, die letzten Minuten seiner Besucher möglichst exakt zu rekonstruieren. Und so findet der alte Pathologe auch an seinem Freund unzählige Hinweise auf den langsamen Todeskampf. Die Haut an den Fingerspitzen ist rau, verursacht durch verzweifelte Versuche, dem Fahrzeug zu entkommen. Eine genaue Untersuchung wird dort Spuren der Fahrzeugeinrichtung sichtbar machen. Partikel des Lenkrads, dass Jethro gefangen gehalten hat, Spuren der Innenverkleidung und des Sitzes. Etwas anderes zieht die Aufmerksamkeit des Pathologen auf sich. Die Finger der rechten Hand sind seltsam verbogen, vorsichtig nimmt Ducky sie prüfend unter die Lupe. Tatsächlich ist auch ohne Röntgenbild zu erkennen, dass die Finger gebrochen sind. Wurde Jethro gefoltert, ehe er im Auto saß? Aber warum dann nur an einer Hand? Oder hat er sich bei den Befreiungsversuchen verletzt? Hat er so stark gegen das Auto geschlagen, dass die Knochen gebrochen sind? Aber warum dann nur mit der rechten Hand? Was war mit der Linken? Ein Bild nimmt in seinem Kopf Formen an. Zwei Menschen, eingeschlossen im Auto und wissend, dass ihr Tod unausweichlich ist. Noch einmal geht er zu Maddie herüber. Er betrachtet ihre Hände, und tatsächlich ist auch an ihrer Hand einer der Finger gebrochen. Es ist ihre linke Hand, und Ducky weiß, dass eine Röntgenaufnahme seinen Verdacht bestätigen wird. Die Brüche sind post mortem entstanden, beim Versuch der Bergungsmannschaft, die beiden erstarrten Leichen von einander zu trennen. Jethro hat Maddies Hand gehalten, als sie starb.


Dennoch bleibt es für Ducky ein Rätsel, wie er mit dem Auto auf dem Grund des Kanals gekommen ist. Haben Maddies Entführer ihn vorher außer Gefecht gesetzt? Äußerliche Verletzungen sind nicht zu erkennen, aber womöglich haben sie ihm auf irgendeine Art und Weise Drogen verabreicht? Rasch nimmt der Pathologe ihm etwas Blut ab und verdrängt, dass er das erst vor zwei Wochen zum letzten Mal getan hat. Dabei hat Jethro aufrecht und ungeduldig vor ihm gesessen, und das Blut ist warm und wie von selbst in das Reagenzglas geflossen. Doch nun pumpt sein Herz es nicht länger durch die Adern, und der Arm, in den er nun mit der Nadel sticht, ist kalt und kraftlos. Jethro spürt es nicht mehr, doch Ducky hat das Gefühl, als würde die Nadel statt in den Arm seines Freundes mitten in sein eigenes Herz stechen.

Nachdem er die Blutprobe ordnungsgemäß etikettiert und archiviert hat, gibt es endgültig keinen Aufschub mehr. Das, was er bereits an Tausenden von Leichen durchgeführt hat, bringt er nun kaum über sich. Doch er reißt sich zusammen und greift nach dem scharfen Messer. Es liegt vertraut in seiner Hand, und Ducky murmelt ein letztes Mal „Es tut mir leid, Jethro,“ ehe er zum ersten Schnitt ansetzt. Dann gewinnt die Routine aus über vierzig Berufsjahren die Oberhand. Der kalte Körper verliert unter seinen Händen den Schrecken des Vertrauten, Jethros Innenleben spricht die gleiche anonyme Sprache wie jede andere Leiche. Ducky murmelt unablässig vor sich hin, wie er es immer tut, und doch ist es anders. Er fasst im Geiste die Fakten zusammen, während ein Teil seines Bewusstseins zu begreifen beginnt, dass der Chefermittler niemals danach fragen wird. Und doch glaubt er das Zischen der automatischen Tür zu hören, die zum Standard gewordene Frage „Was hast du für mich, Duck?“ Und Ducky antwortet dieser Stimme, so gut er kann. Er trägt seine Ergebnisse so nüchtern wie möglich vor, während er die inneren Organe untersucht und die Resultate im Autopsiebericht festhält. „Todesursache ist Ersticken durch Ertrinken,“ stellt er fest. „Aber ich denke, das weißt du bereits.“ Er kann nicht anders, als mit dem Toten zu reden, auch wenn ihm jedes Wort schier das Herz zerreißen will. Doch es ist seine einzige Möglichkeit, diese Autopsie zu überleben. „Irgendetwas Neues?“ antwortet Jethros Stimme mit einem vertrauten, leicht sarkastischen Unterton. „Nun, wenn du es genau wissen willst…“ fährt der Pathologe fort, „…dann kann ich dir sagen, dass das Steak, das du zuletzt gegessen hast, noch fast roh gewesen ist und es nicht sehr sorgfältig zubereitet wurde. Und dass du seitdem nichts als Kaffee zu dir genommen hast. Ich muss dir nicht sagen, wie sehr du deinem Körper mit diesem Raubbau schadest, oder?!“ Ein leises Lachen dringt an Duckys Ohr. „Spielt das jetzt noch eine Rolle, Duck?“ „Nun,“ räumt Ducky ein, „es hat dich nicht umgebracht, da hast du sicher recht. Aber du hattest in letzter Zeit häufiger Magenschmerzen, nicht wahr?“ Jethro antwortet nicht, doch Ducky weiß, dass er richtig liegt. „Abby…“ Er zögert einen Moment, weil er nicht daran denken will, wie schlecht es der Forensikerin im Moment gehen muss. „Abby wird Spuren von Magentabletten in deinem Blutkreislauf finden, Jethro. Und wenn du zu mir gekommen wärst, anstatt blind Tabletten einzuwerfen, hätte ich dir sagen können, dass du ein Magengeschwür entwickelst. Das hätte böse enden können!“ Er schweigt, weil ihm die Ironie seiner Worte bewusst wird. Jethro liegt aufgeschnitten vor ihm auf dem Autopsietisch, und ob ihn in fünf Monaten ein Magengeschwür plagen wird oder nicht, ist längst nicht mehr wichtig.

Doch Ducky kann es nicht lassen, weiter zu sprechen, als er seine Untersuchungen fortsetzt. Er überprüft ein Organ nach dem anderen und kommentiert insbesondere den Zustand der Nieren beinahe vorwurfsvoll. „Ich habe dir immer gesagt, dass du nicht so viel Kaffee trinken sollst, Jethro. Du weißt, dass das den Körper entwässert. Und auch wenn du mich jeden Mal ausgelacht hast: wirf mal einen Blick auf deine Nieren und überzeuge dich mit deinen eigenen Augen, was du deinem armen Körper angetan hast! Vielleicht glaubst du mir dann.“ Er hält das Organ noch einen Moment anklagend in der Hand, ehe er es sorgfältig an seinen Platz zurück legt. „Du bist schon immer vor deinen Problemen weggelaufen,“ seufzt Ducky, als ihm klar wird, dass Jethro zu Lebzeiten längst die Autopsie verlassen hätte.

Doch der bleiche Körper liegt noch immer vor ihm und rührt sich nicht, während der Pathologe schweren Herzens seine Arbeit fortführt. Eigentlich ist er seit Jahrzehnten taub gegenüber manchen Geräuschen, doch diesmal wird ihm beinahe schlecht, als er den Brustkorb seines Freundes öffnen muss. Er weiß, was er dort finden wird, und es wird wichtig sein, sollten Jethros Mörder je gefasst werden. Das Knacken der Rippen jagt ihm einen Schauer nach dem anderen über den Rücken, aber er hat keine Wahl. Auch Jethro weiß das, und diese Tatsache macht es dem Pathologen etwas leichter. Seine Hände verrichten wie von selbst ihre traurige Pflicht, und nach kurzer Zeit blickt Ducky zum ersten Mal auf das Herz seines Freundes. Er erinnert sich an seine eigenen Worte, die er erst vor wenigen Wochen über genau dieses Herz gesagt hat. „Das Herz eines Menschen kann uns oft sagen, wie er gelebt hat. Und manchmal verrät es uns sogar, wie er gestorben ist. Aber unter keinen Umständen, wie auch immer, sagt es uns, wie er geliebt hat.“ Ducky blickt einen Moment lang auf das bewegungslose Organ, dass über fünfzig Jahre lang reibungslos seinen Dienst versehen hat. Doch auch Jethros Herz macht keine Ausnahme. Es verrät nichts darüber, wie oft es in dieser Zeit gebrochen ist. Es verrät weder etwas über Shannon und Kelly, denen es ohne Zweifel noch immer gehört, noch über Hollis Mann, die Ducky seit ihrem Besuch in der Autopsie nicht mehr gesehen hat. Im Anschluss an seine Erkenntnisse über das menschliche Herz hat er ihr Jethros Geheimnis verraten. Sie wusste nichts von Shannon und Kelly, und dem Pathologen stellt sich die quälende Frage, ob er die Schuld daran trägt, dass Jethros Herz ein weiteres Mal gebrochen ist. Ob Hollis geblieben wäre, wenn er geschwiegen hätte. Doch gleichzeitig ist ihm klar, dass auch diese Beziehung früher oder später in die Brüche gegangen wäre, ebenso wie jede andere zuvor. Es spielt also keine Rolle, ob sie seinetwegen gescheitert ist oder nicht. Es war der Versuch, seinem Freund eine Chance zu geben, und Jethro hat kein Wort darüber verloren, was an jenem Abend zwischen ihnen vorgefallen ist. Und auch jetzt schweigt er.

Während Ducky den zur Ruhe gekommenen Muskel langsam in die Hand nimmt, fragt er sich nicht zum ersten Mal, wie oft ein Herz brechen kann. Wie viel Schmerz ein einzelner Mensch ertragen kann, ohne zu zerbrechen. „Ich hoffe, du findest nun, wonach du gesucht hast,“ wünscht der alte Mediziner seinem Freund leise. „Ich wünsche dir so sehr, dass ihr wieder beisammen seid.“ Eine weitere Träne sucht ihren Weg über die Wange des Pathologen, als er auch das Herz wieder in den Körper zurücklegt. Nun bleibt nur noch die Lunge übrig, und ihr Zustand bestätigt Duckys Befürchtungen. Jethro Gibbs war bei Bewusstsein, als er ertrunken ist. Die Hände des Pathologen beginnen erneut zu zittern, er muss seine Arbeit einen Moment unterbrechen. Langsam wandert er zu seinem Schreibtisch herüber und stärkt sich mit einem kräftigen Schluck Whiskey. Es hilft ihm, die Bilder zu verdrängen, die erneut durch seinen Kopf schießen. Er will sich nicht vorstellen, was Jethro in seinen letzten Minuten durchgemacht hat, wie er um sein Leben gekämpft und verzweifelt nah Luft gerungen hat. Doch er ist zu lange im Beruf, er weiß zu genau, wie lange sich dieser qualvolle Tod hinzieht. Und die aufgerissenen Augen haben eine deutliche Sprache gesprochen. Duckys Hände zittern noch immer, als er schließlich zu Nadel und Faden greift und den Körper des grauhaarigen Mannes sorgfältig wieder verschließt.

Nachdem er seine Arbeit beendet hat, tritt er einen Schritt zurück und betrachtet seinen Freund ein letztes Mal. Und doch hat er das Gefühl, als würde Jethro hinter ihm stehen und ihm wie so oft seine Hand fest auf die Schulter legen. „Ich danke dir, Duck,“ hört er die vertraute Stimme. Sie klingt ruhig und zufrieden, und mit einem Mal wirkt auch der bleiche Körper auf dem Autopsietisch nicht länger kalt und schrecklich. „Es war nicht so geplant. Aber… es war es wert.“ Langsam blickt der alte Pathologe auf und dreht sich um. Im Halbdunkel zwischen dem Tisch und den Kühlkammern sieht er Jethro vor sich. Auf seinem Gesicht liegt ein Ausdruck von Glück und Zufriedenheit, den Ducky noch nie zuvor gesehen hat. Seine Arme sind fest um zwei Gestalten geschlungen, die sich vertrauensvoll an ihn schmiegen. Shannon und Kelly sind genauso hübsch, wie der Pathologe sie von den Bildern in Erinnerung hat, und ihre Blicke scheinen ihn neugierig und freundlich zu mustern. „Semper fi, Duck,“ erklingt Jethros Stimme ein letztes Mal, ehe die Bilder vor seinen Augen verschwimmen. „Ruhe in Frieden, mein Freund,“ flüstert Ducky leise, als er ein Tuch über den verlassenen Körper breitet. „Und vergiss uns nicht.“




The end.
 
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