Khilana
Die Waldnymphe hasste sich selbst dafür, dass sie in einem so kurzen Moment die Stimmung verdorben hatte. Es waren Taimas und Amathias erste Erfahrungen in dieser Welt und diese sollten nicht von diskutierenden Bewohnern und depressiven Stimmungen geprägt sein. Doch hatte die Ankunft der beiden Nymphen sie so sehr an ihre Heimat erinnert, dass die tief verschlossenen Gefühle einfach zum Vorschein kommen mussten. Nie hatte sie über ihre Vergangenheit gesprochen und sie hatte auch jetzt nicht vor wirklich damit anzufangen, aber sie fühlte sich auch nicht wohl dabei, die beiden Nymphen anzulügen. So berichtete sie das nötigste, was allerdings reichte, sie völlig aus der Fassung zu bringen.
Als Taima sie in den Arm nahm, fühlte sie sich miserabel. Sie wollte, dich dass die überschwängliche und fröhliche Bergnymphe sich schlecht wegen ihr fühlte. Eine letzte Träne rollte ihre Wange, bevor sie sich fest vornahm, ihre Gefühle wieder tief in ihrem Inneren zu verschließen. Bis jetzt hatte es doch auch geklappt.
Sie sog den Trost, der Umarmung in sich auf und lächelte Taima an, als sie sich von ihr löste.
"Macht euch keine Gedanken, es geht mir gut." versicherte sich nochmals und hoffte das schlechte Gewissen der jungen Frau damit zumindest ein wenig vertreiben zu können.
All dies war vergessen, als der Zauber ihres Lebensquell sie erfüllte. Für Trauer war in ihrem Herzen in diesem Moment kein Platz mehr und die Energie die sie durchfuhrt hatte sie schon ewig nicht mehr gespürt. Auch in ihrer alten Heimat, war es ein Ahornbaum, der ihr als Lebensquell diente. Als kleines Mädchen schon hatte sie viele Stunden in seinen Ästen verbracht und das Gefühl der Geborgenheit genossen, dass nur eine Lebensquelle einer Nymphe geben konnte.
Der Entschluss ihr Dorf und somit auch den Baum zu verlassen, fiel ihr nicht leicht. Seit dieser Zeit trug sie ein Ahornblatt mit sich, dass der Baum ihr zum Abschied schenkte. Vorsichtig holte sie es aus ihrer Gürteltasche und legte es an den Stamm ihres neuen Quell, der dieses sofort als seines aufnahm, Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und eine Gewissheit machte sich in ihr breit. Sie würde hier ein neues zu Hause finden, trotz all der Schwierigkeiten, die ihr trotzten, würde sie sich hier bald wieder zu Hause fühlen.
Die Freude ihrer beiden Begleiterinnen füllte die Luft und vermischte sich mit ihrer eigenen. Ein schlechtes Gewissen breitete sich in Khilana aus, als sie merkte, dass sie die beiden in den letzten Momenten völlig vernachlässigt hatte, doch als sie sich zu Taima und Amathia umdrehte und deren freundliches Lächeln sah, verschwand es selbst wieder. "Ich bin mir sicher, wir finden deinen auch bald." flüsterte sie zu Taima, die plötzlich neben ihr stand.
Diese hielt ihr den kleinen Baum entgegen und Khilana kämpfte ein weiteres Mal mit den Tränen, doch dieses Mal aus tiefster Rührung. "Danke", entgegnete sie der Bergnymphe während sie den Talisman mit der Hand umschloss und an ihr Herz drückte. "Er ist wunderschön."
Als sie das Wasser plätschern hörte drehte sie sich zu Amathia um und entdeckte, die Quelle die fröhlich um ihren Lebensquell plätscherte. "Es ist wundervoll" antwortete sie auf Amathias Worte und drückte dankbar deren Hand. Gerne hätte sie die Quellennymphe in den Arm genommen, doch war sie sich nicht sicher, wie diese reagieren würde. Sie wollte ihr nicht zu nahe treten und beließ es deshalb bei der kleinen Geste.
"Vielen Dank Amathia." lächelte sie der jungen Frau zu und schaute dann nochmals zu ihrem Lebensquell. Ja, sie wusste jetzt schon, dass sie viel Zeit hier verbringen würde.
Taimas Worte rissen sie aus ihren Gedanken und sie folgte Amathia zu dem Abgrund vor dem sie plötzlich standen. Sie blickte zu der Hängebrücke und dem, was sie mit dem Wald verband und ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken. Die Worte der Quellennymphe klangen in ihren Ohren, doch vor ihrem innere Auge sah sie nicht Hardes, sondern andere Gestalten, die auf der anderen Seite der Brücke wohnen könnten. Bei den Gedanken an den Morgen und ihren Kampf gegen den Wendigo begannen ihre Hände zu zittern, wer wusste was noch alles auf sie wartete.
Schockiert beobachtete sie die beiden Nymphen, wie sie voller Tatendrang auf die Brücke zugingen. Amathia war die erste die sie betrat, aber Taima folgte ihr sofort. "Wartet," rief sie erschrocken, doch es schien als würden die beiden sie nicht hören.
Ratlos stand sie an der Hängebrücke. Sie hatte ein sehr schlechtes Gefühl bei der Sache und hätte die beiden gerne wieder zurück geholt, doch war sie sich sicher, dass niemand es schaffen würde, die Neugierde der beiden Nymphen zu ersticken. Alleine gehen, würde sie sie aber auf keinen Fall. Also atmete Khilana einmal tief ein, bevor sie den ersten Schritt auf die Brücke setzte und schnell zu den beiden anderen aufholte.
"Mir ist nicht wohl bei der Sache." flüsterte sie zwar nochmals, doch auch ihre Neugierde wurde größer und auch sie würde nun, nicht mehr zurückkehren wollen.