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Der Schleier böser Schatten

StillesWasser

1.000er-Club
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2 Februar 2003
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3.816
Ort
Wien
In diesem Thema möchte ich nun einige Kurzgeschichten zu einem bestimmten Thema erstellen: Den Schleiern böser Schatten. Mit jeder Geschichte erfährt der/die LeserIn mehr über die rätselhaften Wesen, die verschiedenste Personen heimsuchen, terrorisieren und in Angst und Schrecken versetzen.

#1: Der Schleier böser Schatten (1 Post) - lesen
#2: Tagebucheintrag eines Fünfzehnjährigen (2 Posts) - lesen
#3: Der letzte Brief (1 Post) - lesen


Der Schleier böser Schatten

Hier liege ich nun wieder, die Angst wie ein Geschwür schwer im Bauch sitzend, das Herz schnell pochend, als würde es aus dem Körper springen und fliehen wollen; das Blut wie wild von einem Ende zum anderen flüchtend; und die Augen unentschlossen, ob sie geschlossen oder geöffnet im Bett liegen sollen. Die Tage vermehrten sich, in denen ich entweder nicht einschlafen konnte, weil ich zu sehen glaubte, das nicht existierte. Einen Schleier dunkler und böser Schatten, der an der Wand entlang schlich, meine Sinne verrückt spielen ließ oder mich schweißgebadet aus tiefsten Abgründen schwärzester Alpträume riss.

Zwei Ratschläge erhielt ich vor einigen Tagen, beide so unterschiedlich, wie sie nicht verschiedener sein könnten; doch beide auf ihre Art und Weise gut.
Ein Ratschlag galt meinen Alpträumen, die mich neuerdings nachts des Öfteren heimsuchen. Alpträume, grotesker und furchterregender als der schrecklichste Horrorfilm, da jeder einzeln hautnah erlebt wird. Träume sind eines jeden Menschens eigene Kreation, daher vermag sie auch jeder selbst zu kontrollieren, selbst schrecklichste, schwärzeste Alpträume, welche für so manche schlaflose Nacht verantwortlich sind. Jeder einzelne Mensch vermag seine eigenen Träume zu beeinflussen, so auch jederzeit zu beenden.

Der zweite Ratschlag hingegen galt dem, was ich zu sehen glaube, dem Schleier böser Schatten, der mich heimsuchte zu später Stund, der mich nervös und unruhig werden ließ, der meinen Puls in die Höhe trieb und mein Herz zum Rasen brachte. Es gibt mehr als nur das, was wir mit freiem Auge sehen. Wir spüren es, wollen es aber nicht wahr haben. Automatisch entwickeln wir Angst; Furcht vor dem Ungewissen; wir, die in unserer rationalen Welt der Wissenschaften leben. Manch einer besitzt jedoch die Gabe, sich zu öffnen, aus sich herauszugehen, um zu sehen, was ein normaler Mensch nicht sehen kann. Die Frage, die sich den Menschen stellt, welche diese Gabe besitzen, ist jene, lass ich es zu oder nicht. Konzentriere ich mich auf jene Erscheinung, die ich zu spüren oder sehen vermag. Ohne meiner Furcht freien Lauf zu lassen? Oder nicht. Es ist eine schwere Herausforderung, ohne wirklich zu wissen, was einen erwartet. Was man aber weiß, ist, je mehr man sich dagegenstellt, desto schlimmer wird es.

Vor zwei Tagen lag ich hier in meinem Bett, zusammengepfercht so gut es nur ging. In einem kleinen, dunklen Raum, mit der Einbildung in meinem Kopf, ich würde diese Schleier in der Tat sehen. Zuerst gab ich mich meiner Furcht hin, zog die Decke bis über den Kopf, doch als ein Anfall von Erschickungsangst über mich kam, entschloss ich mich schlussendlich, rational denkend, gegen die Erscheinung. In der Zeit der Wissenschaften glaubt man an keine Geister mehr. Sie sind Erfindungen des eigenen Verstandes, Krankheiten, die man bekämpfen muss. Da sie nicht wirklich existieren, können sie auch keinen Schaden anrichten, warum sollte ich mich daher unter der Decke verstecken? Sie können mir ja doch nichts zu Leibe tun.

Nach einiger Zeit hatte die Müdigkeit über meine Angst gesiegt, wodurch ich einschlafen konnte. Ohne jegliche Träume verbrachte ich die Nacht in meinen eigenen vier Wänden, in meinem warmen, geborgenen Bett, in dem mir kein Haar gekrümmt werden kann, wachte erst wieder früh am Morgen auf. Verschlafen drehte ich mich auf die andere Seite, wollte mich wieder zu meiner Freundin drehen, die jede Nacht bei mir einschläft. Die Augen offen, jedoch noch leicht verschlafen, sah ich zur Türe, die man, genauso wie die Kästen, gut erkennen konnte. Die Wände waren in einem sanften und warmen blau gestrichen, die Türe und Kästen waren weiß bemalt, sodass man sie auch im Dunkeln gut sehen konnte. Auf der Türe hing eine Weste, die am Abend noch am Wandkasten daneben hing. Da der Kasten normal zur Türe steht, die Weste statt am Kasten auf der Türe hing, war sie dadurch gedreht, sonst hätte ich es nie bemerkt. Mein Kissen neben meine Freundin legend, wollte ich sie aufwecken und fragen, warum sie die Weste umgehängt hatte. Ich dachte, sie hätte sie umgehängt, als sie nachts auf die Toilette musste.
Das Kissen war gerichtet, mein Kopf bereits darauf liegend, wagte ich noch einen fragenden Blick zur Türe, da ich nicht verstand, warum meine Freundin die Weste mitten in der Nacht umgehängt hatte.

Ich erschrak, mein Herz fing von einer Sekunde zur nächsten wie wild an zu pochen, mein Puls wurde schneller und schneller, ein Gefühl, wie geschlagen worden zu sein, breitete sich in meinem Bauch aus. Die Weste hing am Kasten, wie auch am Vorabend. In diesem Moment wusste ich nicht mehr, was ich glauben sollte. Spielten mir meine Sinne einen Streich oder war dies ein Zeichen dafür, dass ich nicht alleine mit meiner Freundin in diesem Raum war. Furcht breitete sich in meinem Körper aus, machte mich zuerst hysterisch, bevor sie mich erstarren ließ. Es dauerte viel Zeit des Beruhigens und Tröstens, bevor die Müdigkeit wieder so groß wurde, dass ich mich ihr hingab. Egal, an was ich dachte, meine Gedanken gelangten immer wieder zum Ausgangspunkt zurück. Die Weste. Einige Stunden vergingen und ich träumte einen seltsamen, merkwürdigen Traum, in dem ich eine Frau sah, welche sich am Fuße des Bettes, vor einem geöffneten Kasten befand. Es war dunkel und ich konnte nur ihre Silhouette erkennen. Sofort war mir klar, dass sie mir gegenüber nicht freundlich gesinnt war. Sie ging einfach durch die Kastentüre, in dem sich ein Spiegel befand und war auf dem Weg zu mir, als ich mich des ersten Ratschlages annahm. Wir befanden uns in meinem Traum, in meiner schwarzen Kreation der Furcht. Ich konnte bestimmen, was geschah. Ich versuchte anfangs zu schreien, jedoch brachte ich keinen Ton über meine Lippen. Je mehr ich mich anstrengte, desto schwerer viel es mir. So beruhigte ich mich und konzentrierte mich auf das Schreien, wollte es mehr als alles andere in diesem Augenblick. Nach einigen anstrengenden Sekunden schaffte ich es und ich brachte einen Ton raus. Ich schrie so laut, dass meine Freundin neben mir aufwachte, sich zu mir drehte und mich aus meinem finsteren Schlaf erlöste. Erleichtert sah ich sie an und bemerkte, dass sie nicht meine Freundin war. Sie, die dunkle, böse Gestalt, welche sich vom Fuße meines Bettes den Weg zu mir bahnte, lächelte mich mit teuflischen Blick an. Ein Blick aus einer dunklen Wolke, wodurch ich nach hinten kletterte und vom Bett fiel. Ich schloss meine Augen, um sie gleich wieder zu öffnen. Dabei redete ich mir ein, dass ich alles nur träumen konnte. Dies konnte nicht die Realität sein. Sie konnte es einfach nicht sein. Langsam öffnete ich die Augen und blickte in die Richtung des Bettes, wo die Gestalt zuvor noch saß, doch niemand war zu sehen. In diesem Augenblick kam meine Freundin bei der Tür hinein, sah mich am Boden sitzend, schaltete verwirrt das Licht ein und fragte, was los gewesen sei. Ich sah mich ängstlich und nervös um, jedoch sah ich keinen Schatten mehr.

Dies war vor zwei Nächten. Gestern schliefen meine Freundin und ich in einem Hotel, da ich sogar Panikattacken bekam. Heute jedoch schlafen wir wieder in unseren eigenen vier Wänden! ICH MÖCHTE NICHT! ICH HABE ANGST!

- Ende -
 
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Das fesselt einen ja richtig :D super spannend und richtig gut beschrieben (auch geschrieben :D ) gibts noch nen 2. teil oder wars das? :fragend:
 
Die Geschichte ist für mich abgeschlossen, musste nur meine letzte Nacht verarbeiten.

Aber freut mich, dass dir die Geschichte gefällt :)
 
Also rein vom Schreibstil her gefällt mir die Geschichte. Du hast echt eine schöne Art dich auszudrücken und Situationen zu beschreiben :zustimmen Aber vor dem Hintergrund, dass es eine Nacht von Dir beschreibt, finde ich es schon arg erschreckend...
Wehe, ich bekomm heut Nacht Alpträume. Dann mache ich Dich bzw deine Geschichte dafür verantwortlich :D

Bye!
Jesse
 
Mir gefällt dein Schreibstil äußerst gut, da mir die detaillierten Beschreibungen und vor allem auch immer die Gefühle deines Protagonisten sehr gut gefallen.

Und diese Story, auch wenn sie kurz ist und ein eher weniger gutes Ende hat, hat mich irgendwie angesprochen.
 
Tagebucheintrag eines Fünfzehnjährigen - I

Ich habe gerade diesen Thread wiederentdeckt und meine Geschichte gelesen. Daraufhin habe ich begonnen, ein leeres Blatt mit Wörtern zu füllen und siehe da. Daraus wurden immerhin vier vollbeschriebene Seiten. :)

Hierbei handelt es sich weniger um eine Fortsetzung, als um eine unabhängige Geschichte mit dem selben Thema als Hintergrund. Ich hoffe, es macht Spaß, die Geschicht zu lesen!

Harald

Tagebucheintrag eines Fünfzehnjährigen

Liebes Tagebuch,

ich weiß, ich habe dich in letzter Zeit stark vernachlässigt, doch dies soll sich nun ändern. Da ich nicht weiß, wem ich es anvertrauen soll, erzähle ich es Dir. Hier ist dieses Geheimnis sicher, sicher vor Mama und Papa, sicher vor meinen Freunden in der Schule. Sie würden es nicht verstehen, würden mich auslachen, mich verhöhnen. Ich möchte weder ausgelacht, noch verhöhnt werden! Immer verspotten sie mich, lachen über mich. Sie sagen, ich wäre ein verrücktes Kind, dessen Phantasie so ausgeprägt ist, dass ich sie für mich zum Leben erwecke. Ich bin weder verrückt, noch habe ich eine solch lebhafte Phantasie. Mag sein, dass ich viel Phantasie besitze, doch in diesem Fall mache ich mir nichts vor.

Von meinen Schulfreunden habe ich ehrlich gesagt keine andere Reaktion erwartet. In der Pubertät spinnen doch alle Kinder auf eine Art und Weise. Um von sich selbst abzulenken, erfinden sie Geschichten über andere Kinder. Über diese wird gelacht und selbst ist man geschickt aus der Schussbahn gelangt. Von meinen Eltern jedoch habe ich etwas Mitgefühl erwartet. Mama redete mit sanfter Stimme auf mich ein, sagte, ich würde nur träumen, Papa meinte, ich solle nicht so viel fernsehen. Dadurch würde jedes Mal, wenn sich der Schleier der Nacht, wie ein Geschwür, über den Himmel ausbreitet, meine Phantasie mit mir durchgehen. Ich denke, dass nicht ich derjenige bin, der eine lebhafte Phantasie hat. Irgendwie denke ich, dass alle rund um mich spinnen. Nicht ich bin der Spinner, sondern diejenigen, die behaupten, ich lüge! Ich lüge nicht. Warum sollte ich auch!? Liebes Tagebuch, irgendwie glaube ich, dass ich gar keine wahren Freunde habe. Niemandem kann ich meine Geheimnisse erzählen, ohne, dass ich verspottet werde. Da ich aber mit jemandem reden muss, bevor ich Angst habe, durchzudrehen, schreibe ich Dir mein Geheimnis.

Gestern Abend war es so schlimm, dass ich dachte, mein letztes Stündlein hätte geschlagen. Dass ich, sobald die Dunkelheit über mich hinein bricht, der Angst erlegen bin, weißt Du ja. Dies habe ich Dir schon viele Male geschrieben. Doch im Vergleich zu meinen Angstzuständen von heute Nacht waren die bisherigen Angstanfälle nur die Erfindungen eines fünfzehnjährigen Neunmalkluges, der sich in der Schule und bei sich zu Hause wichtig machen wollte. Ein Junge, der nur nach Aufmerksamkeit schrie.

Ich merke, wie ich wieder zu zittern beginne! Liebes Tagebuch, mach, dass es aufhört! Vor lauter Zittern kann ich kaum noch schreiben! Bitte, hilf mir! HILF MIR!

Wenn ich tief durchatme, dann kann ich zumindest schreiben. Ich muss meinen Kopf von diesen Gedanken rein waschen, muss sie niederschreiben und aus meinem Gedächtnis löschen, sonst verliere ich wirklich noch meinen Verstand! HILF MIR, dass ich wenigstens die Geschehnisse von letzter Nacht erzählen kann. HILF MIR, dass ich genug Ausdauer, genug Durchhaltevermögen besitze, sonst sehe ich kein Licht für die Zukunft. Für meine Zukunft.

Letzte Nacht, liebes Tagebuch, ging ich, wie immer, wenn ich am nächsten Tag zur Schule muss, um halb zehn schlafen. Du weißt, ich brauche meinen Schlaf, sonst bekomme ich in der Schule nichts vom Unterricht mit. Deswegen wurden Mama und Papa bereits vier Mal in diesem Schuljahr vorgeladen. Vier Mal! Heute schreiben wir den 5. November. Die Schule dauert also gerade einmal zwei Monate. Wie soll es nur mit mir weitergehen!? Wie!? Ich muss lernen, meine Ängste in den Griff zu bekommen. Wegen der Folgen meiner nächtlichen Alpträume möchte ich nicht von der Schule verwiesen werden. Obwohl ich hier doch sehr oft verarscht werde, möchte ich an dieser Schule bleiben. Sowohl der Unterricht, als auch die Fächer und die Lehrer und Lehrerinnen finde ich Klasse. Warum sich also bemühen, von der Schule zu fliegen!? Wegen meiner Alpträume!? Nein, meine lieben Schulkollegen, nicht mit mir. Da müsst ihr euch etwas anderes einfallen lassen! Vor euch habe ich keine Angst. Das hatte ich nie, doch heute ist diese Möglichkeit noch weiter in die Ferne gerückt. Bestimmt wisst ihr gar nicht, was es bedeutet, richtig Angst zu haben. Wovor ihr Angst habt, ist nicht einmal halb so schlimm wie das, was ich gestern erlebte. Durch die gestrige Nacht habe ich meine Definition von Angst überdacht und korrigiert.

Ich beginne schon wieder zu zittern. Ob ich je anfangen werde, von der Nacht zu sprechen. Damit meine ich nicht, über die Nacht, sondern über das, was in der Nacht geschah. Verstehst Du, liebes Tagebuch? Ich muss eine Pause einlegen.

So, geht wieder. Ich werde nun einfach beginnen zu erzählen, was ich erlebte, sonst überkommt mich noch eine gigantische und zerstörerische Riesenwelle der Angst, welche mich unter sich begräbt wie eine Lawine einen Schifahrer. Nur, dass ich nicht erfriere, sondern mein Herz vor lauter Angst einfach aufhört zu schlagen, weil es sich denkt, dies wäre der sicherste Ausweg.

Also. Wie auch die letzten Tage ging ich auch diese Nacht um halb zehn zu Bett, wickelte mich wegen der Kälte frierend zitternd in meine dicke Decke. Den Kopf grub ich so sanft wie es nur ging in mein kuscheliges Kissen. Nicht lange, da schlief ich auch schon ein, da ich doch recht müde war. Doch blieb ich nicht lange in diesem Zustand. Kurz vor zwölf wachte ich durch ein lautes Knarren auf. Ich weiß, liebes Tagebuch, dies ist nichts Außergewöhnliches. Holz lebt, dehnt sich. Aus dem Schlaf gerissen, riss ich die Augen auf, während ich in die Senkrechte hinauf schoss. Verschlafen schweifte mein Blick durch mein Zimmer, wanderte über meinen Schreibtisch, meine Kästen, meine Wände. Dann instinktiv zurück zu meinen Kästen, wo ich glaubte, etwas gesehen zu haben. Ruhig bleiben! Tief durchatmen! Es kann nichts passieren! Ruhig bleiben und weiter erzählen! Hier bist du sicher!

Also, mein Blick schoss wieder zurück zu den Kästen und erblickte einen Schleier, welcher sich langsam über die Kastentüre bewegte. Um sicher zu gehen, dass ich nicht träumte und mir dies nur einbildete, schloss ich kurz die Augen und öffnete sie wieder. Als der Schleier von meinen Augen wich, konzentrierte ich mich wieder auf die Kästen; wenngleich meine Augen etwas brannten und mich dies doch ab und zu ablenkte. Der Schleier an der Kastentür, er war noch immer vorhanden. Als er sich langsam in meine Richtung bewegte, hörte ich abermals das laute Knacksen. Es schien, als ob es von der Kastentüre kam, auf welchem ich den Schatten sah. Liebes Tagebuch, ich brauch Dir wohl nicht schildern, wie nervös ich wurde. Mein Puls war noch nie so schnell wie in jenen Sekunden, die ich heute Nacht wach im Bett verbrachte. Ich dachte, mein Herz bahne sich jeden Augenblick einen Weg durch mein Fleisch, meine Rippen und meine Haut ins Freie. Schweiß rannte mir von der Stirn aus über meine Wangen. Meine Kleidung war im Nu wie in Wasser getränkt; durchnässt und kalt. Der Schleier böser Schatten, wie ich diese dunkle Wolke nenne, kam Stückchenweise näher und näher, wodurch ich immer weiter zur Wand rückte. Ich erinnere mich, dass ich zu schreien begann, als ich gerade erst in Erwägung zog zu schreien. Meine Intuition war in diesem Moment schneller als mein Verstand. Oder war es einfach nur die Angst, ich habe keine Ahnung.

Liebes Tagebuch, je mehr ich schreibe, desto schneller schlägt mein Herz. Es nähert sich jener Frequenz von gestern, als ich diesen Schleier vor mir sah. HILF MIR! HILF MIR, ES ZU VERGESSEN! ICH MÖCHTE MICH NICHT MEHR ERINNERN! HÖRST DU, VERDAMMTES ARSCHLOCH VON SCHLEIER DES BÖSEN!? ICH MÖCHTE DICH VERGESSEN! HIER UND JETZT! DU KANNST MIR DEN RÜCKEN RUNTERRUTSCHEN! SUCH DIR JEMAND ANDERS ALS MICH!
 
Tagebucheintrag eines Fünfzehnjährigen - II

Hier nun der zweite und letzte Teil. ;)

Schön wäre es, doch leider geht es nicht immer so einfach, wie man es sich vorstellt. Ich kann genauso wenig vergessen wie ihn wegschicken. Wenn er wieder kommt, dann weiß ich nicht, was ich machen soll. Mein HERZ! TAGEBUCH, MACH, DASS ES SICH BERUHIGT! ES SCHLÄGT BEREITS SO STARK, DASS ICH ES IN DIESEN SEKUNDEN HÖRE. MIT MEINEN EIGENEN OHREN HÖRE ICH MEIN HERZ SCHLAGEN, WODURCH ICH NOCH MEHR ANGST BEKOMME! EIN VERDAMMTER TEUFELSKREIS, AUS WELCHEM ICH ENTKOMMEN MÖCHTE!
Ruhig. Ganz ruhig. Hier ist niemand. Niemand, vor dem Du Dich fürchten musst. Hier wird Dir niemand etwas zu Leide tun. Ich hoffe es! Also gut, wo war ich? Genau... Der Schleier, der immer näher kam.

Ich saß also in meiner schweißgetränkten Kleidung an die Wand gekauert und beobachtete den Schleier, wie er sich mir näherte. Das Knarren war unerträglich. Es strich mir wie ein Hauch eines Windes über die Haut, brachte meine Haare dazu, sich in Reih und Glied aufzustellen. In der Hoffnung, ich könnte die Wolke vor mir vertreiben, schloss ich die Augen und redete mir ein, ich träumte, doch träumte ich nicht. Doch wenn ich nicht träumte, warum hörte mich keiner meiner Eltern? Weder Papa, noch Mama kamen zur Tür gerannt um nachzusehen, was mit mir los sei. Tagebuch, wie ist dies möglich? Strömten vielleicht nur stumme Schreie durch die Lunge zum Mund und hinaus in mein Zimmer, wo sich die Luft gleich zersträubte? War ich etwa gelähmt? Je länger ich darüber nachdenke, desto stärker manifestiert sich dieser Gedanke in mir. MEIN HERZ! So nervös war ich noch nie; abgesehen von heute Nacht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich diese Situation nochmals so durchlebe, als wäre der Schleier erneut genau vor mir. So gerne würde ich nun in die Küche gehen und mir ein Küchenmesser schnappen. So gerne würde ich meinen Leiden ein Ende setzen. WIRST DU NICHT! HÖRST DU!?

Ruhig und langsam durchatmen. Tief durchatmen und entspannen! Gut, es geht wieder halbwegs; wenngleich meine jetzige Kleidung nun auch vollkommen durchnässt ist. VERDAMMTE SCHEISSE!

Ich schloss die Augen, um sie gleich wieder zu öffnen, schrie abermals meine stummen Laute durch das Zimmer, in der Hoffnung, sie würden lauter werden. Doch kein Ton war zu hören. Nur das lauter werdende Knarren des Kastens. Die Wolke, der Schleier, nahm immer mehr Gestalt an. Zuerst dachte ich, es sei einfach nur ein grotesker Schatten, doch dann erkannte ich, wie grotesk der Schatten wirklich war. Er nahm die Gestalt eines Menschen an, zumindest im weitesten Sinne. Ich hätte mir nie erträumt, wie schrecklich ein Schatten aussehen kann. Halb Mensch, halb etwas völlig fremdes, Beängstigendes. So etwas habe ich in meinem Leben noch nie zuvor gesehen und möchte ich nie wieder sehen. Liebes Tagebuch, ich kann mir im Moment nicht vorstellen, je etwas Schrecklicheres gesehen zu haben.

Als sich der Schleier langsam dem Ende des Kastens näherte, wanderte es nicht zur Wand, es drang aus der Kastentüre, als würde er durch die offene Zimmertüre in den Raum eintreten. Ich erschrak, dachte, ich bekäme einen Herzanfall! Liebes Tagebuch, ich fühle mich genauso wie heute Nacht, nur, dass jetzt nicht das geschieht, was gestern passierte. ICH KANN NICHT AUFWACHEN, DENN ICH BIN WACH! HILF MIR, TAGEBUCH! HILF MIR, DASS ICH AUFWACHE!

Gestern wachte ich auf und der Spuk war zu Ende. Zumindest für einen Bruchteil einer Sekunde. Gerade wollte sich mein Körper beruhigen, da sah ich den Schatten neben mir an der Wand. Ich wich so schnell ich konnte zur Bettkante, verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. Der Schatten war noch immer da, doch nun war ich munter. Ich schrie erneut, schrie immer und immer wieder, doch brachte ich abermals keinen Ton heraus. Als wäre ich stumm. ICH BIN ABER NICHT STUMM, LIEBES TAGEBUCH. ICH WAR ES NOCH NIE UND BIN ES AUCH JETZT NICHT! Rasch rutschte ich am Boden entlang zur Tür, die Augen starr auf den Schleier gerichtet. Entsetzen breitete sich in mir aus, als ich nochmals sah, wie sich der Schatten den Weg in den Raum bahnte, sich genau vor mir aufbäumte, als wolle er mich jeden Augenblick zu Tode schlagen. Ein Schlag würde reichen, um die Welle der Angst in Bewegung zu setzen. Nur einen halben Wimpernschlag würde es dauern, dann begrübe mich die Welle unter sich. Ich schlug mich mit der flachen Hand und wachte wieder auf. Wieder saß ich in meinem Bett. Abermals blickte ich zu meinen Kästen und der Wand neben mich. Abermals sah ich den Schleier auf mich zukommen. Es war hoffnungslos. Ich konnte nicht entkommen. Auch weitere Ohrfeigen halfen nichts, denn ich wachte nicht mehr auf. Ich war wach. Dieses Mal war ich wach. Der Schatten, er war so real wie Du und ich, liebes Tagebuch. Er kam auf mich zu, der Schleier böser Schatten. Diese groteske Wolke, bahnte sich den Weg zu mir durch und wollte mich gerade angreifen, als meine Mama bei der Türe hereinkam und das Licht aufdrehte.

Meine Mama erschrak, befand sich unter leichtem Schock. Aber nicht, wegen des Schleiers, liebes Tagebuch. Nicht wegen der grotesken Figur, sondern wegen mir. Wegen meines angstverzogenen Gesichts und meiner durchnässten Kleidung, wegen meines Stotterns und Weinens; und der gelblichen Pfütze unter mir. Liebes Tagebuch, ich hoffe, dies passiert heute nicht nochmals… Ich konnte noch so viel bitten und jammern, es half nichts. SIE KÖNNEN DEN TERMIN NICHT ABSAGEN! ICH HOFFE, DIES PASSIERT HEUTE NICHT NOCHMALS! HEUTE BIN ICH ALLEINE!

- ENDE -
 
Also du hast ja ganz schön viele Fragen zu deiner Geschichte ;) Aber ich versuch mal, so gut wie möglich darauf einzugehen.
Generell finde ich den Text schon sehr passend für einen Fünfzehnjährigen. Höchstens einige wenige Stellen sind mir aufgefallen, da ist es vll. etwas zu kompliziert ausgedrückt, aber nicht mehr.
Der Spannungsbogen wird meiner Meinung nach durch die gesamte Geschichte aufrecht erhalten, da du ja wirklich vor der letzten Zeile nicht auflöst, was los ist ;) Und immer diese kleinen Wechsel zwischen Gedanken und Erzählung halten die Spannung ebenfalls aufrecht.
Die Geschichte ingesamt ist meiner Meinung nach auf alle Fälle gut geschrieben und du weißt, dass mir dein Schreibstil gefällt und ich habe auch diesmal nichts daran zu meckern ;)

Und Spaß hat das Lesen auf alle Fälle gemacht :)
Von daher kriegst du von mir wieder mal ein Lob - wobei ich hoffe, deine Fragen ausführlich beantwortet zu haben.

(und ich hoffe auch, bald wieder beim Battle posten zu können)
 
Danke für dein Lob! Es freut mich immer wieder, deine Meinung zu meinen Texten zu hören. :)

Ich stellte viele Fragen, die nicht unbedingt beantwortet werden müssen. Ich fühlte mich nur anfangs bei der Geschichte etwas unsicher. Nach und nach legte es sich, sodass ich in die Geschichte gezogen wurde. ^^

Ein, zwei Stellen sind zu kompliziert ausgedrückt? Welche wären das denn? Denn wenn es zu kompliziert ist, sollte ich es vereinfachen!

(Nur keine Eile, wegen der Battle. Poste, wenn du Lust und Zeit hast. Es läuft dir nichts davon.)
 
StillesWasser schrieb:
Dadurch würde jedes Mal, wenn sich der Schleier der Nacht, wie ein Geschwür, über den Himmel ausbreitet, meine Phantasie mit mir durchgehen.

Ich meinte so etwas in diese Richtung. Den Satz an sich finde ich gut und der gefällt mir auch, aber ich bin einfach nicht der Meinung, dass sich ein 15jähriger Junge mit solchen Umschreibungen ausdrückt... :)
Naja, wie gesagt, das war jetzt vll. diese eine Stelle, höchstens noch eine, aber ich finde sie gerade nicht, also kanns auch sein, dass sie nicht existiert ;) und das fällt auch gar nicht so auf.

Davon abgesehen passt alles.
 
Hey,

Ich hab erst jetzt entdeckt, dass du wieder was geschrieben hast und das musste ich mir gleich durchlesen.
Und ich sag nur: Wow! Du beschreibst die Geschichten in einem Stil, bei dem man einfach nicht aufhören kann zu lesen. Die Geschichten haben beide etwas...unvollständiges und das passt wirklich genau. Man weiß am Ende nicht, wie es weitergehen wird. Ob der Junge die Schleier nocheinmal sehen wird oder sie besiegen wird. Doch genau das ist für mich die Aussage deiner Geschichten. Der Schatten repräsentiert in meinen Augen, das Ungewisse, vor dem wir Angst haben, dem wir aber nicht entkommen können. Doch nicht alle Menschen können diese Schleier sehen, weil sie sich eine Fassade gegen diese Ängste gebaut haben. Nur Menschen mit Fantasie können sie sehen, wie sie uns Nachts verfolgen (und wahrscheinlich auch Tags?). Auch sie können es nicht wahrhaben, versuchen zweimal hinzusehen. Doch man sollte immer seinem ersten Blick glauben, den viele Menschen schon verloren haben.
Und ich persönlich finde auch, dass du gut in die Seele des 15-jährigen eingedrungen bist. Als 15-jähriger ist man im Wechsel zwischen kindlicher und erwachsener Fantasie. Und deswegen finde ich passen die Umschreibungen auch sehr gut, weil du sowohl Jugendsprache als auch höhere Metaphern verwendet hast.
Das macht das Lesen zu einem Erlebnis!
Mich hat besonders die zweite Geschichte sehr an meine schlaflosen Nächte erinnert, wo ich einfach nur die Decke über meinen Kopf gezogen habe.

In der ersten Geschichte hast du geschrieben, dass man Träume lenken kann. Der Meinung bin ich nicht, weil Träume aus dem Ungewissen entspringen und so gut man sich anstrengt, man keinen Einfluss darauf haben kann.

Hier habe ich einen kleinen Fehler entdeckt:
Als er sich langsam in meine Richtung bewegte, hörte ich wieder das laute Knacksen wieder
Ein "wieder" sollte man weglöschen ;).

Ich freue mich schon auf neue Geschichten! Mach weiter so!

Mudansha
 
Danke für dein ausführliches Kommentar. Und freut mich, dass dir meine neue Geschichte gefällt - auch, wenn sie kein übliches Ende hat. Irgendwie schaffe ich es selten, eine Geschichte mit einem wirklichen Abschluss zu beenden. Man darf gespannt sein, wie "das alte Haus" ausgeht. Die Geschichte hat zwar ein Ende, aber es ist nicht so ein Ende, wo man zum Schluss alles erfährt. Einige Informationen bleiben geheim und so soll es meiner Meinung nach sein. Ich finde diese Geschichte hier auch nicht schlecht, jedenfalls besser als die erste Schleier-Geschichte. Vielleicht schreibe ich die erste etwas um, damit sie besser klingt. Was ich vor allem bei der neuen Geschichte gut finde, ist das Ausschweifen des Protagonisten. Dadurch bleibt der Spannungsbogen etwas länger aufrecht und wirkt gleichzeitig realer - zumindest hoffe ich es. ;)

"Angst vor dem Ungewissen" ist ein gutes Stichwort und schwimmt in den Geschichten mit. Kinder haben nicht nur viel Phantasie, sie assoziieren Dinge auch anders (bildlich, bunt) als die Erwachsenen (sachlich, grau). Dadurch sehen sie Dinge, die Erwachsene vielleicht nicht sehen... Aber ob das die Kernaussage ist möchte ich bezweifeln. ^^

Liebe Grüße
Harald
 
Der letzte Brief

Nach kleiner Pause poste ich wieder einmal einen Text von mir. Teil 3 der Serie Der Schleier böser Schatten, welchen ich den Namen Der letzte Brief gab. Viel Spaß beim Lesen, viel Spaß beim kritisieren. ;)

Lieber Mark!

Auf diesem Wege von mir zu hören wird Dich bestimmt wundern, das weiß ich; dafür kenne ich Dich einfach schon zu lange. Die Jahre haben uns zusammengeschweißt wie Geschwister, wofür ich Dir von ganzem Herzen danken möchte. Dankbar bin ich auch dafür, dass ich in Dir jemanden gefunden habe, der mich immer verstand. Egal, was ich auch angestellt hatte, Du standest auf meiner Seite, gabst mir den nötigen Rückhalt. Ohne Dich wäre ich bestimmt niemals jene Person geworden, die ich jetzt bin; ohne Dich wäre ich nie so weit im Leben gekommen, hätte den rechten Weg schon frühzeitig verlassen. Dafür möchte ich Dir danken, Mark.

Du bist nicht einmal zwei Stunden weg, schon schreibe ich Dir einen Brief. Irgendwie ein seltsames Gefühl, Dir etwas Schriftliches zukommen zu lassen, jedoch habe ich dir bisher etwas verschwiegen. Etwas, dass Du wissen solltest, bevor…

Mark, ich weiß, dass Du meine Entscheidung, mich stationär behandeln zu lassen, nicht richtig findest. Viel lieber wäre es Dir gewesen, wäre ich für einige Tage zu Dir gezogen, doch dies wäre nicht gut gegangen. Ich erzählte Dir zwar, dass ich meiner Alpträume wegen nicht mehr richtig schlafen konnte, jedoch nicht, was in diesen Träumen geschah. Mark, ich konnte mich gegen meine Behauptung an jeden einzelnen erinnern, als wären sie Erinnerungen des Vortages, so klar habe ich sie vor Augen. Schreckliche Filme haben sich während des Schlafes in meinem Kopf abgespielt, haben sich tief in mein Gedächtnis gebrannt. Ich dachte, hier wäre ich sicher vor den nächtlichen Besuchen der Dämonen meines Unterbewusstseins, doch ich habe mich geirrt.

Du lagst richtig, als Du sagtest, mir ginge es hier noch schlechter als zu Hause, aber ich wollte Dich nicht noch mehr beunruhigen. Dein Gesichtsausdruck sprach Bände.

Mark, ich habe Angst, denn ich befürchte – horribile dictu – ich überlebe die heutige Nacht nicht mehr. Die Ärzte haben mich zwar nach einem Erstgespräch unter eine medikamentöse Therapie gesetzt, doch befürchte ich, sie hilft mir kein bisschen. Die erste Nacht hier war fürchterlich; viel grauenvoller als bei mir zu Hause. Wie Du weißt, musste ich mir das Zimmer mit einer anderen Patientin teilen – Celine. Warum sie heute nicht mehr hier war und was gestern vorfiel, habe ich Dir jedoch nicht erzählt. Ich traute mich es nicht. Zu tief sitzt der Schock, zu präsent ist der Schmerz. Celine, meine Zimmerkollegin, hatte die gleichen Halluzinationen wie ich, Mark! Zufall oder nicht, ich habe keine Ahnung. Jedenfalls redeten wir miteinander bis spät in die Nacht, erzählten uns gegenseitig unsere nächtlichen Erlebnisse, die wir bis dato im Schlaf hatten. Dabei erfuhr ich etwas, dass mich zusammenzucken ließ. Mark, ihre Alpträume begannen nur einen Tag vor meinen!

Was noch erschreckender ist: DIESE ALPTRÄUME WURDEN GESTERN ZUR REALITÄT! Anfangs waren es Schatten an der Wand. Schatten, ohne, dass Licht vorhanden war! Alleine wenn ich daran denke, wird mir schwindelig und ich beginne zu schwitzen… Diese Schatten habe ich bis jetzt nur in meinen Träumen gesehen, nicht jedoch mit offenem Auge. In den nächtlichen Horrorfilmen sah ich diese Schatten, wie sie mich anstarrten. Sie beobachteten mich wie ich sie beobachtete, doch irgendwie anders. Seit gestern Nacht glaube ich ihr Verhalten deuten zu können!

MEIN HERZ KLOPFT WIE WILD! So stark, dass ich es hören kann. Meine Hände sind eiskalt und zittrig. Großgütiger Gott, mögest Du mir die Kraft schenken, die nächste Nacht lebendig zu überstehen. Mögest Du auf mich Acht geben, wie ein Hirte, der seine Schafe hütet. Mögest Du mich vor allem Bösen beschützen… Pater noster, qui es in caelis. Sanctificetur nomen tuum. Adveniat regnum tuum. Fiat voluntas tua, sicut in caelo et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie. Et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris. Et ne nos inducas in tentationem, sed libera nos a malo. Quia tuum est regnum et potestas et gloria in saecula. Amen.

Mark, ich glaube nicht, dass ich meinen Verstand verloren habe. Zuerst dachte ich es; ich dachte, diese Wahnbilder wären durch den Stress der letzten Monate, doch ich habe mich geirrt. Ich befürchte, hinter diesen Erscheinungen im Traum – und nun auch im wachen Zustand! – steckt viel mehr als ursprünglich angenommen. Nein, ich weiß mittlerweile, dass hinter meinen Halluzinationen mehr steckt, als man mit bloßem Auge erkennen kann. Celine…

Nach dem Gespräch mit ihr war ich aufgewühlt und wollte nicht schlafen, doch ich war so erschöpft, dass ich irgendwann doch eingenickt bin. Als ich wieder aufwachte – vielmehr schreckte ich auf – sah ich, dass Celine aufrecht im Bett saß. Sie kauerte sich zusammen und rückte immer weiter zurück, als wolle sie am liebsten durch die Wand fliehen. Ihre Augen waren weit aufgerissen und jagten mir eine höllische Angst ein. Als ich sie fragen wollte, was los sei, bemerkte ich, dass ich keinen Ton raus brachte. Mir blieben die Worte wie ein Klumpen im Hals stecken. Sie blickte kurz zu mir hinüber und sah mich eindringlich an, als wolle sie, dass ich mich still verhalte. Einen schnellen Atemzug später drehte sie ihren Kopf zur Tür. Mein Blick folgte ihr instinktiv und ich sah, weshalb sie sich so panisch verhielt. Zum ersten Mal konnte ich die Schatten im wachen Zustand sehen! OBWOHL ICH MEDIKAMENTE BEKOMME! Mark, diese Schatten sahen grauenvoll aus. Alleine der Gedanke lässt mein Herz fast explodieren. ICH HABE ANGST, MARK! HÖLLISCHE Angst, wie ich sie noch nie erlebte!

Die Schatten standen zuerst regungslos da, doch nach einigen Minuten setzten sie sich langsam in Bewegung. An der Wand entlang glitten sie zu Celine, die wie erstarrt am Bett saß, die Beine zum Oberkörper angezogen und umklammert. Plötzlich riss sich einer der Schatten blitzschnell von der Wand los und eine schreckliche Gestalt kam zum Vorschein. So etwas habe ich bisher noch nicht gesehen, Mark! Sie sah aus, als wäre sie eine ölige Nebelgestalt. Wie ein schwarz glänzender Schleier. Die Fratze war so Grauen erregend, so teuflisch und animalisch, dass ich wie paralysiert unter der Decke gekauert lag. Kurz darauf sah ich nur noch, wie sich der schimmernde Nebel über Celine legte, sie umhüllte! CELINE BEGANN DARAUF ZU SCHREIEN, BRÜLLTE MIT ALLER KRAFT, sodass ich unter der Decke zusammenzuckte. Wie Blitze schossen mir die Schreie durch Mark und Bein. Für mich schrie Celine endlos lange, Mark! Ich konnte nichts erkennen. Wollte ich auch nicht! Vorsichtig versteckte ich mich unter der Decke und tat so, als würde ich schlafen. Ich konnte meinen Atem ganz genau hören. Schnell und flatternd! ICH ZITTERTE AM GANZEN KÖRPER! Das Gebrüll wurde immer lauter! Markerschütternd! DEUS MEUS! Celine musste sich ihre ganze Seele aus dem Leib schreien! ICH HÖRE IHRE SCHREIE JETZT NOCH, MARK! Alleine die Gedanken daran lassen mich zusammenschrecken. ICH HABE ANGST, MARK!

Noch bevor die Schwester zur Hilfe eilen konnte, verstummte Celine so plötzlich wie der Schatten aus der Wand gefahren war. Die Schwester holte einen Arzt, der sie untersuchte. Seine Diagnose war TOD DURCH PANIKATTACKE! Sie hatte sich laut Arzt ZU TODE ERSCHROCKEN! DOCH ICH WEIß ES BESSER, MARK! Und jetzt befürchte, ich, dass sie mich holen werden… Möge Celine in Frieden ruhen…

Gott wird auf mich Acht geben. Und sollte mein Leben auf Erden heute ein Ende finden, so ist es sein Wille. Die Reise wird weitergehen, Mark! Ich hoffe, wir werden uns eines Tages wieder sehen. Nochmals DANKE für alles, Bruder! Danke für all das, was Du für mich gemacht hast. Für Dein weiteres Leben wünsche ich Dir alles Liebe.

In Liebe,
Lilith
 
Wow....der Brief ist wahnsinng emotional geschrieben und unheimlich (wortwörtlich) spannend. Ich bin jetzt noch total perplex und weiß irgendwie gerade nicht so ganz was ich schreiben soll.
Die Gefühle von Lilith (ist der Name extra gewählt worden?) sind toll ausgedrückt worden und man kann sich hervorragend in ihre Ängste hineinfühlen. Am besten gefällt mir der 10te Absatz. Man kann sie förmlich schreien hören, kann ihre Verzweiflung fühlen, die sich in ihrem Körper angesammelt hat, wie Bienen, die sie stechen und jedesmal schreien lassen, sobald sie von ihnen gestochen wird.
Alles in allem: Ich bin begeistert und perplex. Toll gemacht!

Mudansha
 
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So, ich weiß, dass ich Ewigkeiten gebraucht habe, bis ich mal wieder was von mir hören lasse, aber manchmal frage ich mich wirklich selbst, wo meine Zeit hinkommt.
(wg. dem Battle hoffe ich, dass ich morgen soweit bin, dass ich posten kann. Jetzt im Moment hab ich ja gsd Ferien).

Aber mal davon abgesehen, will ich jetzt natürlich was zu deinem neuesten Teil sagen und der ist dir echt super gelungen. Die Handlung ist äußerst spannend in dem Brief beschrieben und auch sehr mysteriös. Also das ist mal durchaus eine Horror- oder Gruselgeschichte, wie auch immer man das bezeichnen will^^

Vom Schreibstil her brauche ich ja wohl inzwischen eh nichts mehr sagen ;) der gefällt mir nach wie vor sehr gut.
Vielleicht postest du ja bald wieder was von dir.
 
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