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Die Spieler

TimosSonnenscheingirl

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29 September 2012
Beiträge
151
Ort
Hamburg
Idee: Spukte schon eine ganze Weile in meinem Hirn herum, nur den Mut sie aufzuschreiben, hatte ich bis jetzt nicht

Schreibbeginn: 25.04.2014
Erstmalig online: 20.05.2014

Kapitel-Upload: voraussichtlich einmal die Woche – kann sich jedoch immer verzögern

Rezensionen, Abonnenten und Bewertungen sind herzlich gerne gesehen.

Das Klauen, Kopieren, Abschreiben oder sonst dergleichen ist untersagt.
Copyright liegt alleine bei mir, der Autorin TimosSonnenscheingirl!

Ähnlichkeiten mit anderen Stories, FFs oder der Gleichen sind nicht beabsichtigt.

Und nun – lasst uns das Spiel beginnen!

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Cover zu Die Spieler

„Wenn du im Leben nichts mehr hast, wofür es sich zu kämpfen lohnt, dann ist es manchmal besser, einfach aufzugeben und alles wegzuschmeißen.“

Die Stiefgeschwister Jayden und Abigail Lessing könnten unterschiedlicher nicht sein.
Er ist launisch, reizbar, verschlossen und doch verdammt sexy. Sie hingegen genießt ihr Leben in vollen Zügen, hat Spaß am Leben und weiß, wie sie bei Typen ankommt.
Niemand sieht, dass die Stiefgeschwister schon seit Jahren dabei sind, sich selbst zu zerstören.
Das Leben ist ein Spiel – Gewinne oder verliere, denn nur du hast die Fäden in der Hand.
 
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Prolog: Erinnerungen

„Abigail, sehe zu, das du deinen werten Arsch vom Klo bewegst, ich muss mich auch noch fertig machen!“
Jayden stand genervt vor der Tür und klopfte seit gefühlten zehn Minuten gegen diese. Seine zwei Jahre jüngere Stiefschwester machte ihn noch einmal wahnsinnig. Immer brauchte sie so verdammt lange.
Endlich drehte sich der Schlüssel und die Tür ging auf. Heraus trat seine Stiefschwester, mit nichts als einem Handtuch um den Körper geschlungen. Jayden ließ kurz den Blick über ihren verhüllten Körper schweifen, ehe er sich an ihr vorbei ins Bad drängelte.
„Den Blick habe ich ganz genau gesehen, Jay.“, rief sie ihm hinterher, bevor sie in ihr Zimmer verschwand.
Jayden knurrte nur, während er die Tür abschloss und sich dann ans Waschbecken lehnte. Sein Blick fiel auf den Spiegel und er betrachtete sich.
Aus seinem Gesicht blickten ihn braune Augen an, unter denen sich dunkle Ringe tief eingegraben hatten.
Seine braunen, etwas längeren Haare standen in alle Richtungen ab und sein gesamter Körper fühlte sich schlapp an.
„Du siehst zum Anbeißen aus, Jay.“, murmelte er sich selbst sarkastisch zu. Er drehte den Wasserhahn und klatschte sich kaltes Wasser ins Gesicht.
Seit mehr als einer Woche schon plagten ihn Gefühle, die er so nicht kannte – Gefühle des Hasses, des Schmerzes, der unbändigen Wut, der Trauer, der Verzweiflung – einfach alles plagte ihn.
Das Gesicht noch nass vom Wasser, sah er hoch und in den Spiegel und in genau diesem Moment veränderte sich etwas.
Er wusste nicht, was es war, doch etwas in ihm ließ mit einem Mal alles erkalten und füllte selbst seinen Blick mit eisiger Kälte.
Sein Körper spannte sich an, als er vom Waschbecken abließ und sich umwandte.
In genau diesem Moment erwachte ein solcher Zorn in ihm, dass er seine Fast mit solcher Wucht gegen die weiß geflieste Wand neben dem Spiegel schlug, das eine eh schon lockere Fliese zu bröckeln begann, ehe sie in große und kleine Teile zersprang.
Jayden begann laut zu fluchen, ehe er sich bückte und die zerbrochenen Teile einsammelte. Seine rechte Faust, mit der gegen die Fließen geschlagen hatte, trug einige Kratzer, die etwas bluteten. Doch der Schmerz war nicht all zu groß und die Kratzer nicht tief.
In genau diesem Moment flammte ein Hass in ihm auf. En Hass auf sich, auf seine Umgebung, seine Mitmenschen, seine gesamte Umwelt.
Einen Moment war er so verwirrt durch seine Hassgedanken und Gefühle, dass er den Schmerz, dem er seiner Hand zugeführt hatte, vergaß.
Dieser Hass, der zum Selbsthass führte, war groß und schien seinen gesamten Geist in Besitz zu nehmen. Dieser Selbsthass in ihm gab ihm genau das, was er wollte: Macht über andere und Macht über sich selbst.
Diese drastische Veränderung kam fast Schlag auf Schlag und sein Hass auf sich selbst, seine Umwelt und all die Menschen darin wuchs mehr und mehr. Von diesem Morgen an war Jayden nicht mehr der, der er einmal war.



Gegen seinen schwarzen Mustang gelehnt stand Jayden Lessing vor der Schule seiner Schwester. Normalerweise müsste er um diese Zeit an einer Vorlesung der Uni teilnehmen, doch Jayden tat ohnehin nie das, was andere von ihm erwarteten. Er hatte seinen eigenen Kopf, seine eignen Regeln, nach denen er spielte.
Kurz dachte er an seine Erinnerung von eben zurück. Damals war noch alles anders gewesen, so unbeschwert. Seine Gesichtszüge verhärteten sich und seine braunen Augen wurden dunkel. Die Lippen hatte er fest zusammen gekniffen.
„Jay.“ Er sah hoch und setzte Sekunden später ein strahlendes Lächeln auf.
„Schwesterchen.“ Er breitete die Arme aus und empfing sie mit einer herzlichen Umarmung.
Die Erinnerung an die vergangene Zeit rückte in weite Ferne.
 
01. Kapitel: Lächeln für Dich – doch innerlich breche ich

Die Sonnenstrahlen, die Jayden mitten ins Gesicht knallten, ließen den Zwanzigjährigen aufstöhnen. Brummend hielt er sich den Arm über die Augen und drehte sich in seinem Bett herum, ehe er gegen seinen Wecker stieß und dieser polternd vom Nachricht auf den Boden plumpste. Neben ihm regte sich jemand und er hörte leises Murmeln. Sein Blick fiel auf lange, braune Haare, ein zierliches Gesicht und geschlossene Augen, die von langen schweren Wimpern untermalt wurden. Die leicht geöffneten Lippen ließen ihn kurz inne halten.
Wer zum Teufel war sie und was tat sie in seinem Bett?
Jayden stöhnte auf und verfluchte sich innerlich. Er hatte gestern wohl einiges intus gehabt und die Brünette, an deren Namen er sich nicht mehr wirklich erinnern konnte, offensichtlich mit nach Hause geschleppt.
Kurz blitzen einige undeutliche Szenen vor seinem inneren Auge auf, wie er mit ihr in einer Bar angefangen hatte zu reden, ihr Komplimente und Versprechungen gemacht hatte. Er selbst war während dem Gespräch schon betrunken, ließ sich jedoch nichts anmerken. Er hatte sich lange antrainiert, den Rausch von Alkohol bis zu einem gewissen Grad unter Kontrolle zu haben und sich ganz normal zu verhalten. Doch gestern waren wohl mit ihm die Pferde durchgegangen. Er konnte sich nicht erklären, warum.
Letztendlich hatte er die Brünette dann im Gang zwischen den Toiletten geküsst. Was danach passiert war, schien auf der Hand zu liegen, denn die umherfliegenden Klamotten, die Unordnung, das zerwühlte Bett und offene Kondom-Päckchen, ließ nur auf eine Sache schließen.
Hoffentlich würde sie kein Theater machen, wenn er ihr erklärte, dass dies nur ein einfacher One-Night-Stand gewesen war.
Langsam begann er seine Klamotten vom Boden einzusammeln und sich anzuziehen, duschen gehen wollte er erst später.
Geräuschvoll hörte man, wie sie sich auf dem Bett umdrehen, ehe sie verschlafen murmelte: „Wie spät ist es?“
Ohne das er sich umdrehte, erwiderte er im gleichgültigen Tonfall: „Spät genug und ich weiß ja nicht, was ich dir gestern alles gesagt habe, aber es wäre besser, wenn du jetzt gehst.“
Er hörte einen scharfen Atemzug und musste dabei fast lächeln.
Die Weiber, mit denen er in den letzten Monaten, naja eher schon Jahren, etwas gehabt hatte, waren immer der Meinung gewesen, dass sie mit ihm eine Beziehung eingehen könnten und dann, wenn er ihnen aber klipp und klar seine Absichten erklärte, waren sie immer am Boden zerstört.
Keine Frage: Jayden war heiß begehrt an der Uni und es machte ihm Spaß, dass er sich aussuchen konnte, mit wem er was anfing, doch selbst wenn er seine Eroberungen wieder los war, wurde ihm immer wieder bewusst, dass keine von ihnen ihm das geben konnte, was er brauchte: Zuneigung und Liebe.
Etwas, was er sich wünschte und doch gleichzeitig aus tiefster Seele verabscheute.
„Aber-aber- “ Das Mädchen, dessen Namen er nicht mehr kannte, fing zu stottern an und er wusste auch so, dass sie kurz davor war, zu heulen. Noch so etwas, was er nicht leiden konnte.
Deshalb drehte er sich um und musterte sie kühl. „Pass auf, Janine – “, begann er, doch sie unterbrach ihn sogleich.
„Ich heiße Jenny und nicht Janine und ich dachte, du – “, begann sie, doch er unterbrach sie einfach.
„Okay, dann eben Jenny und ja, du hast richtig vermutet, ich wollte dich nur flachlegen, nichts weiter. Mein Gott, ich war gestern eben hacke dicht und du warst ja auch nicht mehr ganz nüchtern und – meine Fresse, es war ein One-Night-Stand, der nichts zu bedeuten hatte, okay? Ich dachte, das wäre dir bewusst gewesen.“
Doch offensichtlich war dies Jenny nicht bewusst gewesen, denn nun begann sie erst recht zu heulen. Bebend stand sie auf, nicht ohne die Bettdecke um ihren Körper zu schlingen und ihre Sachen zusammenzusuchen.
Jayden hob lediglich eine Augenbraue, als sie so in seinem Zimmer umher tigerte und sich wortlos anzog. Er sah die stummen Tränen, die ihr über die Wangen liefen und verdrehte die Augen. Warum die Weiber aber auch nie verstanden, dass es nur um Sex ging. Kein Weib ließ sich einfach so vögeln, also musste man als Kerl eben ein bisschen charmant sein, den Gentleman markieren, damit sie mit ihm vögelten. Jayden beherrschte diese Masche im Schlaf. Nur, dass die Weiber dann immer gleich heulen mussten, wenn er ihnen die Wahrheit am nächsten Morgen ins Gesicht knallte, verstand er einfach nicht.
„Biste fertig?“, fragte er gelangweilt, nachdem sie endlich angezogen war und hielt ihr auffordernd seine Zimmertür auf. Sie sah ihn nicht einmal an, sondern nahm ihre Tasche und marschierte mit gesenktem Kopf den langen dunklen Flur entlang, in die hell gestrichene Diele.
„War nett dich kennengelernt zu haben, aber das mit uns beiden wird einfach nichts. Ich wünsche dir noch ein schönes Leben, Jani-Jenny.“
Damit schob er die Brünette vor die Tür und knallte diese dann vor ihrer Nase zu. Offensichtlich war sie so geschockt, dass sie nicht einmal daran dachte, Sturm zu klingeln oder sonst etwas in der Art zu tun.
Jayden schloss für einen Moment die Augen, ehe er sich einen Ruck gab und das Bad im ersten Stock aufsuchte, wo er unter der Dusche das heiße Wasser auf seinem Körper genoss.
Er konnte nur hoffen, dass Jenny nicht auf seiner Uni war. Das so eine Geschichte die Gerüchteküche über ihn ankurbelte, konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Innerlich fluchend, betete er, dass der Tag nicht noch schlimmer werden würde.


Der Lärm, der erst im Flur losbrach und sich dann bis zur Zimmertür eines weiteren Mitbewohners ausbreitete, riss eine junge Frau unsanft aus dem Schlaf.
Abigail seufzte und öffnete die Augen. Sie konnte sich schon denken, was ihr Bruder getan hatte. Es war immer das Gleiche mit ihm. Erst eroberte er ein Mädchen, dann verbrachte er eine Nacht mit ihr und am nächsten Morgen schmiss er sie raus.
Abigail konnte nicht verstehen, warum er so war. Das ging nun schon seit über vier Jahren so mit ihm und sie wusste, was den Ausschlag dafür gegeben hatte, dass er jedes Mädchen nach einer Nacht abservieren musste.
Sie würde ihn wohl oder übel da einmal drauf ansprechen müssen, denn langsam ging ihr sein Verhalten auf die Nerven. Sie hasste es, wenn sie in der Schule ständig von irgendwelchen Mädchen angesprochen wurde, die sich bei ihr darüber ausheulten, dass ihr Bruder nur mit ihnen gespielt hatte. Sie wollte nicht immer die sein, auf die man mit dem Finger zeigte und sagte, dass sie die Schwester von Jayden Lessing sei, der mit jedem Mädchen ins Bett stieg und dann fallen ließ.
Abigail drehte sich seufzend um, kuschelte sich noch einmal in ihr warmes Bett und schloss die Augen. Sie schlief oder träumte jedoch nicht, sondern lag einfach da und konzentrierte sich darauf, Ruhe für sich selbst zu finden. Eine innere Ruhe, die sie oft nicht hatte. Viel vom `friedlichen Ruhen´ hatte sie jedoch nicht, da sie nach einer dreiviertel Stunde etwa entnervt ihre Decke bei Seite schmiss, aufstand und nicht gerade gut gelaunt ins freie Badezimmer ging. Dies empfing sie mit einer feucht-warmen Luft. Die gefliesten Wände, der Spiegel so wie die Dusche waren immer noch feucht. Offenbar war Jayden noch nicht lange aus dem Badezimmer gewesen.
Durch die feuchte Wärme und den Duft des herben Duschgels, welches ihr Stiefbruder benutzt hatte, traten ihre Kopfschmerzen in diesem Moment besonders schlimm hervor. Ihre Schläfen pochten unangenehm in einem Takt, der einem Presslufthammer glich.
Kurzerhand kramte sie in einer Schublade des Schränkchens unter dem Waschbecken nach Kopfschmerztabletten. Sie fand eine ungeöffnete Packung und warf kurzerhand drei von ihnen ein, die sie mit reichlich Wasser aus dem Hahn hinunter spülte.
Abigail schloss einen Moment die Augen, bevor sie in den Spiegel sah. Das Dunkelbraun ihrer Augen wirkte noch recht verschlafen und klein. Ihre Schultern waren eingefallen, die langen, hellblonden Haare zerzaust.
„Was soll´s. Hilft ja doch nichts“, murmelte sie und begann sich zu entkleiden, um unter die Dusche zu gehen. Die ersten Tropfen des kühlen Nass auf ihrer Haut ließen die Müdigkeit schnell verschwinden und so erwachten auch endlich all ihre Lebensgeister. Leise vor sich hin summend beschloss sie den Tag locker angehen zu lassen. Eine lange Shoppingtour mit ihren Freundinnen wäre auch nicht schlecht, denn immerhin war heute Samstag.
Gut gelaunt betrat die hübsche Blondine eine Dreiviertelstunde später im Untergeschoss die Küche. Ihr Bruder saß am Küchentisch und biss gerade allem Anschein nach herzhaft in eine belegte Brötchenhälfte. Vor ihm stand einiges an Aufschnitt, so wie eine Tüte, in der offensichtlich noch weitere Brötchen lagen.
„Na, Jay, hast du mal wieder einem Mädchen das Herz gebrochen?“
Der junge Mann sah auf und blickte seine Schwester an. Seinem Blick, der sich zügig verfinsterte, nach zu urteilen hatte sie genau ins Schwarze getroffen. Seine Brauen zogen sich zusammen und er presste kurz die Lippen aufeinander. „Kann sein, warum? Und was bist du bitteschön so verdammt gutgelaunt?“ Er musterte sie, doch Abigail setzte ein Lächeln auf, das selbst ihn täuschen konnte. Ihr Bruder sollte nicht wissen, dass ihre Kopfschmerzen oft so schlimm waren, dass sie dachte, sie müsse sterben. Alleine das Wort Sterben reichte aus, um sie zu Ruhe zu bringen.
Die junge Frau war jedoch so bedacht darauf ihre Gedankengänge niemals offen preis zu geben. Sie verstand es zu schauspielern, ihre Gefühle vor anderen zu verbergen. Unter ihren Freundinnen zählte sie oft zu den Besten und Beliebtesten, was daran lag, dass sie Shopping-Queen und Partygängerin war. Ob am Wochenende oder in der Woche, sie ließ es krachen. Vorteile verschaffte sie sich gezielt beim Türsteher oder auch Clubbesitzer. Doch sie ging niemals so weit, dass sie sich für etwas, dass sie erreichen wollte, benutzen ließ. Nein, Abigail hatte andere Taktiken, die sie einsetzen konnte. Ihre weiblichen Reize und Schönheit reichten oft schon aus, um an bestimmte Ziele zu kommen.
„Nur so. Ich habe heute eine Shoppingtour mit Tamara, Lulu und Nathi geplant. Muss meine Mädels nur noch dazu überreden, aber das dürfte ja kein Problem werden. Möchtest du mitkommen?“, lachte sie und ihre Stimme klang freudig.
Jayden schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht; bin mit den Jungs unterwegs.“
Abigail nickte und winkte ab. „Na dann viel Spaß dir!“ Sie suchte aus dem Kühlschrank einige Sachen zusammen, die sie frühstücken wollte. Als sie wieder hoch sah, merkte sie, dass Jayden die Küche verlassen hatte. Sie seufzte leise auf.
Immerhin hatte er nicht gemerkt, was wirklich los war. Sie lächelte – für ihn.


„Jay, Alter. Was geht ab?“ Jayden wurde von einem seiner Kumpels in dessen Garage begrüßt. Diese lag nur etwa fünf Straßen weit vom Haus seiner Eltern entfernt.
Alex, Nathan, John und George zählten schon seit der High-School zu seinen engsten Freunden. Obwohl man hier wohl eher sagen konnte, das engste Freunde auch wieder nicht richtig war.
Jayden war jemand, der sich zwar hin und wieder in Gruppen aufhielt und auch gerne etwas mit seinen Freunden unternahm, doch er blieb ein Einzelgänger.
„Sag, was geht ab bei dir zu Hause? Deine Schwester sah ja schon echt heiß aus, als wir – “, grinste Alex, doch Jayden fand das ganz und gar nicht witzig.
„Pass auf, wie du über Abby redest. Sie ist für dich tabu, verstanden?“, fauchte er seinen Kumpel an und dieser hob beschwichtigend die Hände.
„Hey hey, ist doch alles easy. Bleib mal locker, man.“
Jayden verdrehte die Augen. Er wusste, dass das Ganze hier eh nicht mehr lange gut ging. Nichts desto trotz zwang er sich den glücklichen, den unbeschwerten Jayden Lessing zu spielen.
Ja, zu spielen. Jayden spielte – schon sein Leben lang. Er pokerte hoch, verdammt hoch und seine Einsätze waren ein Teil von dem, den er nur denen zeigte, die es wirklich verdient hatten – seine Stiefschwester.
Doch selbst Abby wusste nichts von dem, was er tat, was er noch tun würde und was er mit Sicherheit auch zu Ende brachte.
Das Spiel hatte soeben begonnen, ohne dass es die anderen ahnten.
„Sag mal, Alex – wie geht´s eigentlich deiner Freundin? Habe gehört, ihr habt ein wenig – Stress miteinander?“, fragte er einen seiner Freunde und lächelte still in sich hinein.
Der Angesprochene sah ihn an und seine Stirn zog sich in Falten. „Ja, haben wir. Mandy ist in letzter Zeit etwas komisch drauf. Immer weicht sie mir aus, wenn ich mit ihr – naja ihr wisst schon – “ Peinlich berührt sah Alex zu Boden, doch Jay bohrte weiter. „Was denn, was denn? Lässt sie dich etwa nicht ran?“ Er feixte, was den anderen natürlich nicht entging. Sie beobachteten die beiden nun mit wachsendem Interesse.
„Ja, man. Sie lässt mich nicht ran und ich weiß nicht warum.“ Alex, der groß und schlaksig war, warf die Arme verzweifelt in die Luft.
„Beruhig dich mal. Es sind Frauen, die muss man grundsätzlich nicht verstehen.“, warf Nathan ein und warf dabei Jayden einen merkwürdigen Blick zu, den dieser jedoch mit einem Lächeln abtat.
Der junge Mann lächelte immer noch, doch innerlich war ihm gerade, als müsse er sich zwischen Heulen, Brüllen vor Lachen und Brechen entscheiden.
Ein Brechreiz machte sich in ihm breit, doch er wusste, dass er weiter lächeln musste. Er lächelte – für sie.
 
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02.Kapitel: Es gibt Tage da habe ich Angst, all die Farben zu vergessen, die du mir gabst


Abigail nahm die Schlüssel und verließ das Haus. Ihr Ziel war die Innenstadt, in der sie mit ihren Freundinnen verabredet war.
Ihre Schritte waren beschwingt, fast mochte man sagen, federleicht. Sie lächelte, summte leise zu der Musik, die aus den Kopfhörern ihres IPods erklangen und tänzelte den Gehweg entlang. Die Blicke der Passanten, die teils neugierig, teils abstoßend auf sie wirkten, übersah sie.
Im Zentrum der Stadt angekommen suchte sie mit den Augen ihre Freundinnen und entdeckte diese auf einer Bank vor ihrer Lieblingspizzaria.
„Abby“ Nathi winkte sie. Das zierliche Girl mit den Rasterzöpfen, den ausgefransten Jeans, Nietenstiefeln so wie den vielen Nietenarmbändern und Gürteln grinste ihrer Freundin entgegen.
Abigail lachte, als sie auf die drei Mädchen zu ging und eine nach der anderen umarmte.
Lulu und Tamara waren Zwillinge, sahen jedoch völlig unterschiedlich aus. Während Lulu die Flippigere war und oft ihren Kleidungsstil ändere, mal von schlicht auf ausgefallen und dann wieder kunterbunt, blieb Tamara ihrer Lieblingsfarbe rot treu. Egal was es war: es musste alles in Rot sein. Oft sah sie aus wie eine leuchtende Kirsche.
„Und, was machen wir? Komm schon, Abby; du hast doch immer so super Ideen.“ Die hübsche Blondine schmunzelte schelmisch, während sie in ihrer kleinen Umhängetasche nach Zigaretten kramte. „Letze Woche war doch die Eröffnung von diesem neuen Club am Stadtrand. Ich habe meine Connections mal spielen lassen und – für morgen den Club gebucht; inklusive VIP Lounge. Im Übrigen habe ich abgecheckt, wer da so alles auf der Gästeliste steht –“
Die Mädchen sahen sie gespannt an, ehe sie geheimnisvoll sagte: „Könnt ihr euch noch Matt Brenden erinnern?“
„Hm, ja – “, kam es langsam von Lulu und auch die anderen Mädchen sahen aus, als könnten sie sich dunkel an ihn erinnern.
„Der ist zufälligerweise dort Inhaber, also Clubbesitzer und –“ Mehr brauchte sie gar nicht sagen, denn die Mädels kreischten auf und Abigail lachte. Sie hatte gewusst, dass ihr diese Überraschung gelingen würde.
„Matt hat dir die VIP klar gemacht? Aber wie –“, fragte Lulu aufgeregt und neugierig zugleich.
„Hm, sagen wir mal so – ich habe ihm ein Angebot gemacht, dass er unmöglich ausschlagen konnte.“ Abigail zwinkerte, während sie sich endlich ihre langersehnte Zigarette anzündete und den ersten Zug tat.
Das Rauchen war eine tiefe Befriedigung für sie, etwas, an dem sie sich festhalten konnte, wenn auch nur für kurze Zeit.
Den blauen Rauch langsam und genüsslich inhalierend sah sie zu, wie ihre Freundinnen wie ein verrückter Hühnerhaufen kicherten und sich tierisch freuten.
„Oh Abby, du bist die Beste. Das wird so der Hammer werden. Wir vier in der VIP Lounge, die Typen kleben alle an uns, wir feiern bis der Arzt kommt, die Getränke und – oh man, das wird der Wahnsinn.“ Nathi geriet total ins Schwärmen, während es die anderen beiden ihr gleich taten. Nur Abigail selbst hielt sich zurück. Sie dachte an jenen Abend zurück – an den Abend, als sie die VIP Lounge bekommen hatte – zu einem sehr hohen Preis, wie sie wusste.

Abigail betrat die dunkle Straße. Ihre hohen Absatzschuhe hallten laut in der sternklaren Nacht wider. Sie fröstelte, denn der Oktober war nicht gerade warm und das Laub nass und rutschig. Das junge Mädchen von etwa fünfzehn Jahren war alleine unterwegs. Ihr Stiefbruder Jayden, der drei Jahre älter als sie war, schien diesen Abend mal wieder unterwegs zu sein. Seit einiger Zeit verhielt er sich seltsam. Er schloss sich in seinem Zimmer ein, kam kaum noch raus oder war bis spät abends unterwegs.
Oft musste sie sich für ihn eine Ausrede einfallen lassen, warum ihr geliebter Stiefbruder nicht bei den gemeinsamen Abendessen dabei war. Ihre Eltern schienen zwischen Verzweiflung und Wut nicht mehr zu wissen, was sie mit ihm anstellen sollten. Seitdem sein Vater ihre Mutter vor knapp drei Monaten betrogen hatte, lief alles aus dem Ruder.
Jayden war, nachdem er dies beim Auszug seines Vaters mitbekommen hatte, völlig ausgerastet. Er hatte den Vater wutendbrand zur Rede gestellt, doch keine Antwort auf all seine Fragen erhalten. Als er auch noch mitbekam, dass dieser mit der Sekretärin des Chefs gevögelt und somit geschwängert hatte, waren bei ihm sämtliche Sicherungen durchgebrannt. Seiner Stiefschwester zu Liebe hatte er sich zurück gehalten und seinem Vater keine rein gehauen.
Stattdessen war er wütend abgerauscht und erst im Morgengrauen sturzbetrunken wieder aufgetaucht und das auch noch am Fenster seiner Stiefschwester, die das alles andere, als lustig fand.
Doch sie hatte ihn gedeckt und nie ein Sterbenswörtchen über seine, immer häufigeren Nachtzüge, verloren.
Jetzt war sie es, die unterwegs war, die ihren Spaß suchte und ihn auch fand – auf eine andere Art und Weise, als ihr Stiefbruder dies tat.
Abigail bog in eine Seitenstraße ein und fand sich dann an einem Club wieder – einem Szene-Club. Sie blieb kurz stehen und sah sich um, ehe sie die Straßenseite wechselte und auf den Club zu ging. Davor standen drei Türsteher, die sie schon von weitem interessiert musterten.
„Na, Mäuschen. Was treibt dich denn hier her?“, fragte ein bulliger Typ und grinste sie schief an.
Sie wirkte erst etwas unsicher, doch dann hob sie das Kinn und begann selbstsicher – ja fast schon lasziv – zu lächeln. „Ich denke, dass wissen wir beide ganz genau, oder?“, fragte sie ohne mit der Wimper zu zucken.
Einer der drei Männer lachte auf. „Bobby, sie will dich flachlegen. Hey, Schnecke, also wenn du das so siehst, dann –“, doch er wurde unterbrochen.
„Pass mal auf, Mäuschen: das hier ist ein Szene-Club, in dem du noch nichts zu suchen hast und ich rate dir –“
Abigail hatte gewusst, dass sie so nicht an ihr Ziel kommen würde, als musste sie zu härteren Mitteln greifen. Sie näherte sich dem Typen, der wie ein Schrank aus massiger Muskelmasse auf sie wirkte und kam seinem Gesicht ganz nahe, während ihr Körper sich an seinen presste.
Ihre Hand wanderte nach unten, während sie ihm fest in die Augen sah und dann seinen überrascht-freudigen Ausdruck in den Augen wahr nahm. Ein leises Keuchen entrann ihm.
Abigail lächelte. „Noch Fragen, warum ich hier bin?“ Sie ließ von ihm ab, während der bullige Türsteher sich nur langsam erholte und den Kopf schüttelte. Er deutet mit einer Kopfbewegung zum Eingang. Abigail lächelte und wandte sich um. Festen Schrittes betrat sie den Club. Jetzt war es nur noch eine Frage der Taktik, der Überzeugung und der Willenskraft, bis sie an ihrem Ziel angekommen war. Ihr Lächeln war sexy und heiß – doch ihre Gedanken waren kalt und leer. Die Bedingungen, die hier gestellt wurden, waren hart, doch Abigail war es gewohnt. Sie wusste, auf was sie sich einließ. Auch wenn der Preis sehr hoch werden würde.


„Oh, Abby, du musst mir unbedingt sagen, wer alles auf der Gästeliste –“ Tamara wirkte total aufgeregt und auch die anderen beiden waren nicht minder begeistert von dem bevorstehenden Club-Besuch.
„Keine Sorge, ich werde es euch schon noch sagen, aber erst mal sollten wir nach neuen Outfits suchen, oder? Ich weiß, dass dort wohl einige Stars wie Paris Hilton auftauchen werden und –“ Das Kreischkonzert ihrer Freundinnen nahm Überhand an, was sie grinsend in Kauf nahm.
„Also, kommt ihr jetzt mit? Und denkt dran: es ist die Party des Monats!“ Ihre Freundinnen nickten eifrig. Man hakte sich unter und zu viert begaben sie sich in sämtliche Kaufhäuser, um die neusten Trends abzuchecken.



Während seine Stiefschwester mit ihrer Erinnerung zu kämpfen hatte und sich dennoch einen schönen Shopping Tag gönnte, war Jayden gerade dabei seine Selbstbeherrschung unter Kontrolle zu bekommen.
Die Jungs hatten einige ruhige Stunden miteinander verbracht, doch jetzt schien sich etwas zusammenzubrauen, das dunkler als ein Sturm war.
Alex, Nathan, John und George probierten gerade einige neue Stunts auf ihren Skateboards aus, als Johns Handy zu klingeln anfing. Er ging ran und schien einen Moment zu zuhören, ehe alle Farbe aus seinem Gesicht wich.
„Hey, was ist – “, fragte Nathan und klang beunruhigt, während die anderen sich dem bleichen John näherten.
Nur Jayden blieb absichtlich etwas im Hintergrund. Er ahnte, nein wusste bereits, was los war.
„Das-das ist –“ Mehr hörte man von John nicht. Ein Wutschrei war zu hören, ein Brüllen wie das eines Tigers und John hechtete auf Jayden los. Dabei verzerrte sich sein Gesicht vor Wut.
„Du Schwein, du verdammtes, mieses Schwein. Wie kannst du –“ Jayden wollte zurückweichen, doch blieb er stehen und sah seinen Freund verständnislos an. Innerlich wusste er jedoch, was los war.
„Ich weiß echt nicht, was –“, begann er, doch John brüllte wie ein Irrer drauf los: „Du hast mit ihr gefickt, du hast mit meiner Freundin gefickt und ihr Versprechungen gemacht, ihr gesagt, dass du sie liebst und dann hast du sie eiskalt abserviert.“ Schwer atmend stand John da und sah zu Jayden, der total gelassen wirkte. Seine Mundwinkel zuckten.
„Ich weiß echt nicht, was –“, doch John fuhr ihm einfach über den Mund, in dem er schon wieder brüllte: „Du weißt genau, was los ist. Du hast dich mit ihr getroffen, vor einer Woche; sie hat es mir eben erzählt und dann hast du sie flachgelegt und nachdem hast du ihr gesagt, dass sie nur ein billiges Flittchen wäre, das zu dumm sei –“
Jayden hatte Mühe sein Lachen zu verbergen. Wie viele seiner Spielchen würde John wohl noch aufdecken, bevor er zu Grunde ging?
Seit mehr als drei Monaten ging das nun schon so zwischen ihm und seiner Freundin Clarissa und irgendwann war Jayden das Gestreite einfach leid gewesen. Er hatte den Verständnisvollen, den Fürsorglichen für Clarissa gespielt und dafür etwas bekommen, das er nicht abschlagen wollte. Bis jetzt war alles gut gegangen, doch nun schien die gute Clarissa doch Wind von der Sache bekommen zu haben und hatte es John gesteckt.
Armes Ding!, dachte Jayden belustigt, als er an ihre Hilflosigkeit dachte, mit der er sie unter Druck gesetzt hatte.
„Ich weiß wirklich nicht –“, doch John unterbrach ihn einfach. „Ohne Scheiß, was ist eigentlich los mit dir, Jay, hm? Erst vögelst du meine Freundin, dann brüllst du ständig rum und jetzt tust du den Verständnisvollen? Was soll das?“ Sein Kumpel sah ihn abwartend an, doch Jayden schwieg.
Das Spiel hatte begonnen, so wie er es vorher gesehen hatte und er wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis es seinen Höhepunkt erreicht hatte.
„Nichts. Was soll los sein? Ich bin immer noch der Alte, okay?“
„Nein, das bist du nicht. Das bist du schon lange nicht mehr, Jay. Du bist total verschlossen, bist nur noch aggressiv und schlecht gelaunt und wenn man dich darauf anspricht, blockst du ab. Jay, wir kennen uns jetzt schon so lange, also sag, was Sache ist, verdammt!“
Alex, Nathan und George hatten bisher schweigend mit angesehen, was abgelaufen war, doch nun mischten sie sich auch ein.
„Ja, man; sag schon was los ist?“, bohrte nun auch Alex nach. Jayden spürte die Blick auf sich, die neugierig wirkten. Er ging jedoch auf Distanz.
„Nichts ist los. Ich habe einfach nur einen schlechten Tag, okay?“, wiegelte er ab und hoffte, dass damit das Thema vom Tisch sei, doch das war es nicht.
„Jay, du hast andauernd schlechte Tage – und du bist ganz sicher keine Frau. Also lass den Scheiß und erzähl was Sache ist.“ George kam ihn nahe, zu nahe.
„Was ist los, Mann?“, fragte er ihn und dann passierte es. Aus dem Reflex heraus hob Jayden die Faust und – schlug zu.
George taumelte rückwärts, hielt sich stöhnend die Nase, aus der bereits Blut tropfte. Die anderen Jungs begannen wie wild umher zubrüllen.
„Bist du völlig bescheuert?“
„Warum machst du das?“
„Jay, was ist in dich gefahren, man?“
Fassungslos starrte er seinen Freund an, dem er soeben einen heftigen Faustschlag mitten ins Gesicht verpasst hatte.
Erschrocken wich Jayden zurück. „Du kleiner Pisser. Was ist los mit dir? Seit wann schlägst du einen guten Freund?“, fauchte George und hielt sich immer noch die blutende Nase. Auch die anderen verstanden es nicht.
„Jay, warum –“, fing Nathan an, doch der Angesprochene drehte sich nur weg und begann zu rennen. Er rannte die Straße entlang, immer weiter. Die Rufe ließ er hinter sich zurück, blendete sie so gut es ging, aus. Seine Gedanken kreisten und eine Wut stieg in ihm auf, die er kaum mehr zu bändigen wusste.
Erst als er endlich zu Hause ankam, die Haustür aufschloss und so schnell wie möglich in sein Zimmer ging, kam er zur Ruhe. Doch nur äußerlich, denn innerlich brannte alles in ihm.
Vor Wut schrie er umher und packte ein Wasserglas, das auf seinem Nachttisch gestanden hatte. Er schleuderte dies gegen die Wandseite seines Zimmers, wo es in tausend Einzelteile zersprang.
Jayden hatte es so satt sich vor allen zu rechtfertigen, ihnen Rede und Antwort zu stehen. Sie sollten ihn alle in Ruhe lassen.
Ein Hass loderte in seinem Körper auf, der ihn vor Wut erzittern ließ. Doch das Spiel, welches er gerade erst begonnen hatte, war noch nicht vorbei. Nein, es fing gerade erst an.
Jayden schmiss sich aufs Bett und starrte aufgewühlt an die Zimmerdecke. Was tat seine Stiefschwester wohl gerade? Er dachte an sie – dachte an das Gespräch von heute Morgen. Warum zum Teufel hatte sie ihn so aus der Fassung gebracht? Ahnte sie, was er vor hatte? Ahnte sie, was in ihm vor sich ging?
Er hoffte nicht, denn wenn ja, dann würde es auch hier bald zu etwas kommen, dass er nicht mehr unter Kontrolle hätte.
Er hatte Angst. Angst davor all das zu vergessen, was ihm seine Stiefschwester je geben hatte. All die Liebe, die Farben, die diese Liebe mit sich brachte. Diese Tage waren schon seit ein paar Monaten da und er hatte an bestimmten von ihnen Angst. Angst, diese zu vergessen – sie zu vergessen.



Beladen mit Einkaufstüten begab sich Abigail nach einer ausgedehnten Shoppingtour nach Hause zurück. Sie liebte es, wenn ihre Freundinnen die Ratschläge, die sie ihnen gab, annahmen und sich darüber freuten, sie als Freundin zu haben. Die Party im Club von Matt würde morgen sicherlich ein voller Erfolg werden.
Zufrieden mit sich und ihrer Welt schloss sie die Tür auf. Ihre Einkäufe ließ sie achtlos in der Diele liegen, während sie ihre Schuhe abstreifte.
Auch wenn sie ihre Erinnerung an damals während dem Treffen mit ihren Freundinnen nicht verdrängen konnte, hatte sie die Abwechslung dennoch genossen.
Doch kaum war sie alleine, drängten sich diese Gedanken wieder in den Vordergrund. Nur mit Mühe gelang es ihr, sie zu verscheuchen und an etwas anderes zu denken. An ihn zu denken – an Jayden.
Von oben hörte sie undeutlich eine Tür auf und zu gehen, dann folgte ein lauter Schlag und dann wieder Ruhe.
Abigail war neugierig geworden. Langsam zog sie ihre Jacke aus, streifte sich die Schuhe von den Füßen und betrat die Treppen nach oben in den ersten Stock. Hier herrschte Dunkelheit, so dass sie das Flurlicht anschaltete.
Sie lauschte einen Moment, doch nichts war zu hören. Misstrauisch geworden, woher oder eher gesagt, wer denn da die Tür so geknallt hatte, ging sie langsam den Flur entlang.
Ihre Mutter, so wusste sie, war vor etwa einer Woche weg geflogen – geschäftlich – und somit waren ihr Stiefbruder und sie alleine zuhause, was keineswegs schlecht war. Denn wenn ihre Mutter mal da war, dann gab es oft Zoff zwischen ihnen. Ihre Mutter fühlte sich mit zwei, doch schon erwachseneren Kindern, oft so sehr überfordert, dass sie nicht wusste, wo ihr der Kopf stand.
Manchmal fühlte sich Abigail schuldig, aber nicht immer. Sie wusste, dass ihre Mutter nichts von dem ahnte, was sie durchmachte. Und das sollte auch so bleiben. Die junge Frau ging, ganz in Gedanken versunken, den Flur weiter entlang und blieb dann vor der Zimmertüre ihres Stiefbruders stehen.
Zaghaft klopfte sie. „Jayden?“
Nichts rührte sich. Sie drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür langsam. Das Zimmer ihres Bruders war normalerweise recht ordentlich, doch jetzt vielen ihr die zerwühlten Bettsachen auf, ebenso wie die, auf dem Boden verteilten Glassplitter. Was war geschehen?
Langsam trat sie ein, drehte sich jedoch schnell wieder um, als sie im Bad vorne Geräusche hörte.
Es klang, als hätte jemand etwas zu Boden geschmissen. Langsam ging sie auf die Tür zu und drückte die Klinke hinunter – abgeschlossen.
Sie klopfte. „Jayden? Bist du das?“
Von drinnen war kein Mucks zu hören, nicht ein Laut. Wieder klopfte sie, dieses Mal lauter.
„Jay?! Was machst du da? Komm schon, sag –“
„Abby, verschwinde!“ Die Stimme ihres Stiefbruders klang nicht besonders gut gelaunt, um ehrlich zu sein, klang sie aggressiv und – kalt.
Etwas, das Abby so nicht von ihm gewohnt war. Doch sie ließ sich nicht täuschen, sondern blieb standhaft.
„Nein, ich werde nicht gehen. Ich werde – hier sitzen bleiben und so lange warten, bis du raus kommst und mir erklärst, was los ist!“ Sie klang trotzig.
Drinnen hörte sie undeutlich, wie ihr Stiefbruder anscheinend resigniert aufseufzte.
„Abby, mach keinen Scheiß und verschwinde.“
„Nein!“ Und damit sie es ernst meinte, setzte sie sich vor die Tür, lehnte sich dagegen, zog die Beine an den Oberkörper und bettete das Kinn darauf.
Einige Minuten geschah rein gar nichts – es herrschte Stille. Unangenehme, drückende Stille.
„Jay?“, fragte sie nach einer Weile, als sie nichts mehr aus dem Badezimmer vernahm. Kein Geräusch war zu hören. „Jayden?“ Ihre Stimme klang besorgt, drängend, fast hysterisch.
„Brüll nicht so rum!“, kam die etwas leiser, gedämpfte Stimme des jungen Mannes. Abigail zuckte kurz zusammen, als sie diese vernahm. Sie klang ganz dicht bei ihr, so als wenn er neben ihr sitzen würde, doch das tat er nicht.
„Was-was machst du?“ Ihre Stimme zitterte leicht, als sie diese Frage stellte und ihre Hand ballte sich zur Faust, an der die Knöchel langsam weiß hervor treten.
Von drinnen hörte sie leises Lachen. „Ich sitzt mit dem Rücken zur Tür!“, kam die dumpfe Antwort, die Abigail leise ausatmen ließ.
Er tat genau das Gleiche wie sie: saß mit angezogenen Knien auf den kalten Fliesen des Badezimmers, mit dem Rücken an der Tür. Seine Hände hatten sich jedoch nicht zur Faust geballt, sondern hielten locker etwas in ihnen. Die scharfe Klinge des blanken Messers drückte sich kalt und hart in seine rechte Handfläche, mit der es hielt.
So saßen beide Stiefgeschwister Rücken an Rücken nur durch eine Tür getrennt, an einander und dachten an den jeweils anderen.
Leise begann Jayden zu murmeln, und er wusste, dass sie es hören würde: „Abby, versprich mir, das du das, was ich dir jetzt sage, für dich behältst, okay? Bewahre es gut auf, denn – ich weiß nicht, wie lange –“ Einen Moment hielt er inne, bevor er seinen Satz von neuem anfing. „Bitte, versprich mir, dass egal was auch passiert, du immer an mich denken wirst. Denn – es gibt Tage, da habe ich Angst – Angst –“
Abigail an der Tür hatte seiner ruhigen Stimme gelauscht, während sie sie Augen geschlossen hielt. Die letzten Sätze nahm sie ruhig in sich auf, während ihr Herz jedoch heftig zu rebellieren schien und sie, aus welchem Grund auch immer – seine Gedankengänge zu Ende sprach.
„ – all die Farben zu vergessen, die du mir je gabst! Jayden, ich verspreche dir, dass ich diese Farben niemals vergessen werde und diese Tage auch niemals kommen werden. Ich – lie-“ Doch sie brach ab, als die Tür mit einem Ruck aufgerissen wurde und sie fast nach hintenüber fiel.
Das Gesicht ihres Stiefbruders schwebte nur Zentimeter über dem ihren.
 
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